zum Hauptinhalt
250175_3_090114_beuys_Ute_Klophaus.jpeg

© Thilo Rückeis / Copyright: Ute Klophaus

Joseph Beuys: Gesten eines Gurus

Aktionen von Joseph Beuys: eine Fotografieausstellung in der Galerie Heiner Bastian.

Zehn Tage ist die große Beuys-Ausstellung im Hamburger Bahnhof noch zu sehen. Das Museum für Gegenwart erlebt geradezu einen Besucheransturm. Über zwanzig Jahre schien der deutsche Jahrhundertkünstler abgetaucht. Nach seinem überraschenden Tod 1986 und der letzten Retrospektive im Martin-Gropius-Bau zeigte sich der Ausstellungsbetrieb kaum noch interessiert. Der Prediger, der Performer, der Promoter seiner eigenen Kunst erwies sich als so elementar für die Rezeption, dass die Skulpturen und die riesigen Zeichnungskonvolute hinter der Person zurückfielen. Eugen Blume, Kurator der Ausstellung im Hamburger Bahnhof, hat die Figur Beuys nach dieser langen Pause endlich wieder zurückgeholt, indem er seine Auftritte, Reden, Aktionen mit zahllosen Videos dokumentiert. Und wieder fragt man sich am Schluss der großen Schau: Was bleibt?

Der Sammler und einstige Beuys-Sekretär Heiner Bastian gibt in seinem von Chipperfield gebauten Galeriehaus eine Antwort darauf: ein Bild, ein Momenteindruck, in dem wiederum die Erinnerung gefroren ist. Seit jeher liefert die Wuppertaler Fotografin Ute Klophaus die entsprechenden Aufnahmen dazu. Eine Ausstellung mit ihren Bildern kommt deshalb einer Sublimierung der Beuys-Retrospektive im Hamburger Bahnhof gleich. Eine Geste, die zu dem Schöngeist und Ästheten Heiner Bastian passt.

Beuys ist eben doch nicht für alle da

Seit Mitte der sechziger Jahr war die Fotografin bei zahlreichen Beuys-Performances dabei. Heute gilt sie als seine wichtigste Dokumentaristin, denn legendäre Auftritte wie „Iphigenie / Titus Andronicus“ mit dem Schimmel auf der Bühne des Frankfurter Theaters am Turm sind vor allem durch ihre Bilder präsent. Acht Aktionen zeigt nun Heiner Bastian: „Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt“, „Manresa“ oder „Filz-TV“. Sie alle stammen aus den frühen Jahren, als Beuys sich durch Begegnungen mit Nam June Paik, George Maciunas und John Cage für Fluxus zu interessieren begann. Wer aber die dazugehörigen Handlungsabläufe nicht kennt, dem bleiben diese Bilder fremd; an Vermittlungsarbeit ist im kühlen Galeriehaus nicht gedacht. Dafür ist die Ausstellung im Hamburger Bahnhof da. Plötzlich umschwebt den großen Kommunikator, den Kunstrevoluzzer, der gerade noch so nahe schien, wieder diese feine Distinktion. Pustekuchen, Beuys ist eben doch nicht für alle da.

Auch die Klophaus-Bilder umgibt jene Aura des Geheimnisvollen, Mythischen. Der Betrachter versteht kaum, was die exaltierten Gesten des Gurus zu bedeuten haben: etwa jener Fingerzeig, der zum eigenen Auge führt, oder das auf eine Fetthaufen abgelegte Haupt. Dieses Staunen ist den mitfotografierten Zuschauern anzusehen. Beuys hat es seinem Publikum nie leicht gemacht, mochte er auch noch so viel erklären und diskutieren, wie es die Ausstellung im Hamburger Bahnhof zeigt. Die 1967 in der Darmstädter Galerie Franz Dahlem aufgeführte Aktion „Hauptstrom Fluxus“ dauerte zehn Stunden. Da ließ sich das ermattete Publikum – die Herren im Anzug, die Damen im Minirock – auch schon mal auf dem Galerieboden nieder, wo sich ebenfalls diverse Performanceutensilien wie Fettklumpen, Tonbandgeräte und Pinsel befanden.

Festhalten kann man sie nicht, die künstlerische Performance

Für Beuys aber war die Performance ein wichtiger Impuls, eine Form der künstlerischen Kommunikation, die Denkprozesse auslöst. Immer wieder setzte er sich deshalb den Hasen für seine symbolischen Aktionen ein. „Der Hase läuft sehr schnell. Er ist ein Geschoß. Der Hase ist das Element der Bewegung, der den starren Kunstbegriff ändert. Der Hase ist ein altes germanisches Symbol. Es bedeutet Neubeginn, Frühling, Aufbruch“, lautet ein Zitat des Künstlers. Umso befremdlicher wirkt es, dass Beuys die Läufe des toten Vierbeiners mit langen Stangen verknüpft: eine Erhöhung, Verweis auf ein Puppenspiel?

Stets umgibt die Beuys-Aktionen der Nimbus einer sakralen Handlung,für die gerade Ute Klophaus besonders empfänglich schien. In ihren Erinnerungen an die Aktion „Iphigenie / Titus Andronicus“ berichtet sie davon, wie sie sich in der zwanzigjährigen Zusammenarbeit mit Joseph Beuys stets auf ihre Intuition verließ, „um so genauer zu sehen und zu hören“. In ihren Bildern erscheint der Künstler zugleich abgehoben und doch präsent: „Je mehr ich mich von der Aktion entferne, desto näher komme ich ihr. Ich schließe das Triviale aus und schließe mich hermetisch ab, um die Aktion zu dem zu wandeln, was sie hätte sein können und was sie war“, schreibt sie.

Mit Künstlern wie Jonathan Meese, John Bock, Christoph Schlingensief hat die künstlerische Performance nach Joseph Beuys ihre Fortsetzung gefunden. Das Momenthafte, ja der heilige Augenblick besitzt für die bildende Kunst die größte Kraft. Nur festhalten kann man sie nicht. Zurück bleibt ein Bild, meist eine Fotografie.

Galerie Bastian, Am Kupfergraben 10, bis 11.4.; Do., Fr. 11–17 Uhr, Sa. 11–16 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false