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Statue der Artemis, Ende 2. Jh. n. Chr.

© Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Laurentius

Göttinnen der Gegenwart: Ein frischer Blick auf Medusa, Aphrodite und Co. im Alten Museum

Die Schöne, die Kämpferin, die Hexe: Eine Ausstellung eröffnet neue Perspektiven auf alte Stereotoype berühmter Frauenfiguren aus der antiken Mythologie.

Sie ist schön, betörend, verführerisch, die nackte Aphrodite. Seit dem 19. Jahrhundert wird sie als Göttin der Liebe rezipiert – aber wieso wird sie dann in einer Statue, die aus der Sammlung des Museums stammt, nackt und mit Schwert dargestellt? Das passt nicht in das übliche Bild. Aphrodite konnte auch anders.

In antiken Texten erscheint sie als bewaffnete Anführerin und Kämpferin. „Aphrodite war mehr als nur die flirtende Verführerin, die sich in der Neuzeit als weibliches Stereotyp für sie verfestigte. Das muss sie allerdings auch nicht gleich zur Kriegsgöttin machen“, schreibt Annegret Klünker im Begleitbuch der von ihr kuratierten Ausstellung „Göttinnen & Gattinnen. Frauen im antiken Mythos“, die in der Antikensammlung im Alten Museum am Ende des Rundgangs durch die Dauerausstellung zu sehen ist.

Künkel hatte die Idee zu dieser kleinen, aber feinen Ausstellung gleich zu Beginn ihres Volontariats im Museum. Anlass war, dass in den letzten Jahren immer mehr Wissenschaftlerinnen und Autorinnen antike Frauenfiguren neu in den Blick nahmen und zugleich in Romanen, Comics und sogar in der Werbung die Mythen aufgenommen wurden. Sie wollte diesen Frauenfiguren nachspüren und überprüfen, was die Sammlung des Museums dazu hergibt, um ein differenzierteres Bild dieser Frauengestalten darzustellen.

Das Knie zielt aufs Gemächt

Aphrodite wurde in der Antike auch als treu sorgende Ehefrau verehrt, aber sie ist nicht nur die Ehefrau von Hephaistos, dem Gott der Schmiedekunst, sondern auch die Gespielin des Kriegsgottes Ares, von dem sie Eros, ihren Sohn, bekam.

Die Göttin Athena wiederum wird gerne mit Helm und Lanze dargestellt, zuständig für Kriegführung, Technik und Handwerk, gleichzeitig war sie Schutzgöttin Athens. Doch sie verweigerte sich dem gängigen Rollenverständnis, hatte keine Kinder und unterstützte männliche Schützlinge.

Artemis wiederum ist die Göttin der Jagd und der wilden Tiere und zieht – ohne je zu heiraten – mit ihren Gefährtinnen durch die Wälder. Zu ihnen gehört Atalante, die von ihrem Vater ausgesetzt wurde, weil er eigentlich einen Sohn wollte.

Attische Halsamphora: Atalante ringt mit Peleus, Anfang 5. Jh. v. Chr.

© Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Laurentius

Sie wird oft kämpfend und ringend dargestellt, wie auf einer flachen Tontafel, die Klünker im Depot wiederentdeckt hat. Atalante ist knapp bekleidet, Peleus ist nackt, sie wirken im Kampf ebenbürtig.  Ihr angezogenes Knie zielt deutlich auf sein Geschlechtsteil. Der nächste Stoß könnte ihr den Sieg bringen. Das klingt gut und emanzipatorisch, aber warum muss sie dann so aufreizend spärlich bekleidet sein, fragt die Kuratorin. Es siegt dann doch der männliche Blick.

Die Antike im Heute

Die Ausstellung zeigt am Beispiel von zwölf antiken mythologischen Frauenfiguren ein differenziertes Bild,  wirft ein Schlaglicht auf die Rezeption vertrauter Figuren wie Medusa oder Kirke, der Zauberin aus Homers „Ilias“, die es sogar als Playmobil-Figur ins Kinderzimmer geschafft hat. Aber ist sie wirklich nur die von Männern gefürchtete starke Frau? Auf einer Vase sitzt sie scheinbar züchtig gekleidet auf einem Stuhl mit Trinkgefäß und Stab, ein nackter Mann wendet sich ab und fasst sich an seinen Schweinekopf – Kirke hat ihn wie alle Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt. Sie hat die Macht, die traditionelle Gesellschaftsordnung inrage zu stellen und bleibt für den Betrachter ambivalent.

Die bekannten und weniger bekannten Frauenfiguren der Antike werden in der Ausstellung aus heutiger und antiker Perspektive vorgestellt. Zu sehen sind zum Teil lebensgroße Statuen, Vasen, Gemmen, Tontafeln und Objekte der Alltagskultur. Manche Objekte werden erstmals ausgestellt. Es ist sogar eine eigene Leseecke eingerichtet, in der man Lektüreanregungen zum Thema findet. Und es darf abgestimmt werden – mit Klebepunkten – „wer ist deine Favoritin?“ Die kleine sehenswerte Ausstellung zeigt, wie sehr die antike Welt doch mit der unseren verbunden ist und wie sie in jedem neuen gesellschaftlichen Kontext immer wieder neu interpretiert wird.

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