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Klimt-Ausstellung in Halle. Besucher schauen sich das Gemälde "Eugenia Primavesi" an.

© imago/Steffen Schellhorn

Gustav Klimt im Kunstmuseum Moritzburg: Reich und berühmt

Gustav Klimt in Halle an der Saale: eine Sensation. Im Kunstmuseum Moritzburg kommt man dem Wiener Meister der Moderne nahe und lernt ihn besser kennen.

Er malte die Frauen wie die Byzantiner auf den Ikonen ihre Heiligen. Gesicht und Hände treten fleischlich hervor, die Figur schwebt im Ornat. Bei Eugenia Primeavesi, die er 1913/14 porträtierte, ist die Hülle ein farbiger Teppich aus Blüten und Blättern, bei Marie Henneberg (1903) fließt das bis an den Hals geschlossen Kleid wie ein zartblauer, stummer Katarakt diagonal über das Bild. All diese Gemälde sind großformatig und stellen Damen der Wiener Gesellschaft vor. Eleganz, Reichtum und Selbstbewusstsein und prägen den Eindruck, stets leicht entrückt wirken diese kostbaren Wesen.

Gustav Klimt gilt als Erotiker und äußert hochpreisiger Künstler. Das war er schon zu seiner Zeit. Man musste sehr viel Geld und Beziehungen besitzen, um einen Klimt zu beauftragen. Das Schicksal seiner Kunst kulminiert im Porträt der Adele Bloch-Bauer (1907). Wer kennt diese verträumten Augen im Goldrausch nicht? Dieses Bild – wie auch der „Kuss“ von Klimt – wurde tatsächlich zu einer Ikone der mondänen Moderne. Die Nationalsozialisten enteigneten die jüdische Familie, und erst 2006 wurde das Werk an ihre Nachkommen zurückgegeben. Heute hängt es in der Neuen Galerie in New York. Ronald S. Lauder hat es für 135 Millionen Dollar gekauft – seinerzeit der höchste je für ein Bild gezahlte Preis.

Diese Geschichten prägen das Image von Gustav Klimt, das Protzige haftet ihm an. Ein Besuch der Klimt-Ausstellung in Halle/Saale kann da manches heilen und ergänzen. Das Kunstmuseum Moritzburg ist kein bombastischer Ort. In konzentrierter Atmosphäre lässt sich Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts in Deutschland studieren, mit Lyonel Feininger natürlich, der in Halle tätig war. Klimt passt gut hier herein, denn die Moritzburg zeigt Kunst und Kunsthandwerk nebeneinander. Klimt und die Wiener Secession, das Design der Wiener Werkstätten und ein Architekt wie Josef Hoffmann gehören zusammen. Und Halle an der Saale besitzt einen Klimt, jene Marie Henneberg. So ist der Moritzburg und ihrem Direktor Thomas Bauer-Friedrich gelungen, wovon auch viel größere Museum nur träumen können: eine Klimt-Schau zum 100. Todestag dieses Künstlers, der kaum in deutschen Museen vertreten ist.

Der Körper wird zur Linie, die Linie wird zum Körper

Wer Klimt partout sehen will, muss nach Wien fahren, das Belvedere hat die weltgrößte Klimt-Sammlung. Die Schau in Halle grenzt an eine Sensation und bietet eine gute Möglichkeit, sich diesem Meister zu nähern. Zehn Gemälde, das ist normalerweise nicht sehr viel. Bei Klimt schon. Die Hennebergs sind dafür noble Gastgeber. Das Porträt der Marie H. gelangte in den Zwanzigerjahren aus Wien in den Besitz eines Leipziger Juristen und wurde 1979 für das Museum in Halle erworben. Hugo Henneberg, Maries Ehemann, war Unternehmer, Mäzen und Künstler. In der Klimt-Ausstellung sind einige seiner äußerst raren Landschaftsbilder zu sehen, so genannte Gummidrucke. Auch von Klimt sind drei Landschaften ausgestellt: ein herbstlicher Wald, Birken am Ufer und eine träumerische Architektur am Attersee.

Am nächsten kommt man ihm jedoch über die Zeichnungen, die sich hier in Fülle darstellen. Schon der Siebzehnjährige, Sohn eines Goldgravierers, fertigt Porträts wie ein alter Meister. Das „Brustbild eines Mädchens von vorn, um 1890/91“ fixiert den Betrachter offensiv. Der Körper wird zur Linie, und die Linie wird zum Körper. Klimt zeichnet auf Packpapier, er skizziert unaufhörlich Haltungen, Faltenwürfe, fließende Formen. Vor der Ausführung eines großformatigen Porträts in seinen üppigen Farben fertigt er unzählige Entwürfe an. Die berühmten Bilder sind Ergebnis eines langwierigen Prozesses; auch das hat sie damals teuer gemacht.

Das Bildnis der Amalie Zuckerkandl, entstanden 1917, im Jahr vor seinem Tod, blieb unvollendet. Voll ausgeführt sind Gesicht und Schultern, die wie aus einem Bergkegel herausragen – der untere Teil ist Vorzeichnung, Andeutung, die Hände nur dünne Linien. In dieser Dramatik ein Höhepunkt der Ausstellung, in der man so vielen Frauen begegnet. Seltsam aber: Klimts Aktzeichnungen haben nichts Spekulatives oder Voyeuristisches. Sie stellen auch nicht, wie Egon Schiele, drastisch Sexualorgane heraus. Seinerzeit als pornografisch angegriffen, ist seine Kunst geprägt von Eleganz und freier Natürlichkeit.

Klimt begeisterte sich für japanische Kunst

Der junge Klimt und seine Kollegen machten in Wien ordentlich Skandal. Wien um 1900, das war auf nahezu allen Gebieten ein heiß laufender Motor der Modernisierung – die sich in der Psychoanalyse und der Literatur auf antike Urgründe berief. Auch Klimts Bilder haben etwas provokant Dekoratives. Mit dieser Kunst wurden keine Paläste, vielmehr die großbürgerliche Villen geschmückt, deren Bewohner nach dem Ersten Weltkrieg häufig ihren Status einbüßten, verarmten und bald schon von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.

Das gehört auch zu Klimt, der nichts davon mehr erlebte: diese Gefühl von Morbidität. Etwas an diesen Gemälden, von denen man nun in Halle einige bewundern kann, ist zu fein, zu ziseliert, zu vornehm. Man kennt solche Eleganz eben nur noch aus der Kunst. Und es haftet den Gesichtern auch etwas Abweisendes an, sie tragen einen maskenhaften Ausdruck in die Welt. Das ist kein Zufall. Gustav Klimt begeisterte sich, wie viele Künstler seiner Zeit, für japanische Kunst! Man weiß es auch von van Gogh. Klimt soll eine kostbare japanische Theatermaske besessen haben. Sie strahlt aus auf die ebenmäßige Form seiner Gesichter.

Ein Ausflug nach Halle an der Saale lohnt immer, nicht allein wegen Klimt und der Moritzburg. Die Stadt hat eine eigentümlich angenehme Atmosphäre. Sie wird geprägt von den Studenten, von der Universität, in deren Nähe sich dann auch das Theater und die Oper befinden. Halle wurde im Zweiten Weltkrieg weniger zerstört als andere deutsche Städte. Ein wenig vom alten Mitteleuropa hat sich erhalten. Im Museum sowieso, aber auch draußen, in den Gassen und Straßen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Januar im Kunstmuseum Moritzburg zu sehen. Am Friedemann-Bach-Platz 5 in Halle (Saale), täglich von 10 bis 18 Uhr (mittwochs geschlossen). Eintritt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro.

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