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Alle sind ihretwegen hier. Die Sängerin Judith Holofernes fühlt sich beim Berliner Konzert wie unter guten Bekannten.

© Marco Sensche

Judith Holofernes in Berlin: Heimspiel mit Meise

Judith Holofernes und ihre Band spielen im Admiralspalast guten, nahbaren Pop. Es gibt sogar ein paar Tiergedichte.

Mitten während des Konzerts macht Judith Holofernes eine Popmusik-Pause und liest ein Gedicht aus ihrem 2015 erschienen Buch „Du bellst vor dem falschen Baum“, das Tiergedichte enthält. Die Band – Holofernes nennt sie die „Müßig-Gang“ – schabt und klopft und rüttelt dazu verhalten an ihren Instrumenten, und die Sängerin berichtet mit dieser Stimme, die immer so klingt, als wäre ihre Besitzerin etwas traurig und erstaunt zugleich, von Vollmeisen und Halbmeisen und flausenlosen Blaumeisen.

Beim anfangs ohnehin recht zurückhaltenden Publikum sorgt dieses Implementieren von, nun ja, Kleinkunst für eine gewisse Ratlosigkeit. Betrachtet man den Abend als Ganzes, passt es durchaus ins Bild. Judith Holofernes sang früher bei Wir Sind Helden. Mit dem 2003 erschienen Debüt „Die Reklamation“ waren die Berliner ein, zwei Jahre lang eine der größten Bands der Republik. Es folgten drei weitere Alben, das letzte hieß „Bring mich nach Hause“, bald danach löste sich die immer müder wirkende Gruppe auf. Und hier, im Admiralspalast, bekommt man eine gute Idee davon, warum das so war.

Auch mal ein bisschen albern

Der Pop, den Holofernes spielt – er stammt vor allem von den beiden 2014 und 2017 erschienenen Soloalben –, ist einer, der nicht unbedingt den Gesetzen der Musikindustrie folgt. Einer, der nicht auf mögliche Chartpositionen hin verfasst wurde und den man sich so nicht mehr auf der Bühne von „Rock im Park“ vorstellen kann, wo Wir Sind Helden 2005 Headliner waren.

Einer, der eine Liebe zum mal mehr, mal weniger guten Wortspiel besitzt, der sich auch einmal traut, uncool zu sein oder sogar albern. Der Kindern gefällt, ein paar werden von Elternteilen auf ihre breiten Schultern genommen. Der zwar seine Wurzeln im klassischen Indiepop hat, aber dank einer Keyboarderin, die ab und zu an Trompete und Posaune wechselt, plötzlich an Ska erinnert und sich sogar ein-, zweimal lustvolle Ausschweifungen in Instrumental-Jams leistet.

Kurzum: Es ist eine recht nahbare Musik, in der vielleicht deshalb auch Platz für Umwege ist. Ein Song, den Holofernes ursprünglich für den Färöer Songwriter Teitur schrieb, hat in einer deutschen Übersetzung ebenso seinen Platz im Programm wie einer, den sie im Rahmen der TV-Sendung „Sing meinen Song“ für ihren Kollegen Rea Garvey schrieb. Und gegen Ende wird dann mit „Ist das so“ doch noch einer der großen Wir-Sind-Helden-Hits gespielt.

Wie unter alten Bekannten

Das Eigenartige: Er verpufft fast ein bisschen, erntet nicht mehr Beifall, als Solostücke wie das schöne „M.I.L.F.“ – das große M steht hier übrigens für Musik, Holofernes zählt in dem Song all ihre Lieblingskünstler auf – oder „Der letzte Optimist“ es tun. Es ist eben doch so: Niemand ist gekommen, um Altes zu hören. Alle sind wegen Judith Holofernes da.

Die ist ja eine von hier. „Ich kenne die Hälfte von euch so gut, dass wir schon einmal zusammen gefrühstückt haben“, sagt sie, als einmal das Saallicht so weit aufgedreht ist, dass sie das Publikum sehen kann. Das werden schöne Vormittage gewesen sein.

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