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Silas (Hama Luciano) und Rebecca (Helena Zengel) sind gegen den Raubbau der Holzfäller.

© 2024 Mathieu De Montgrand/Pandora Film

Mysterien der Wildnis: Jungstar Helena Zengel überzeugt im Kinodrama „Transamazonia“

Ein Mädchen überlebt einen Flugzeugabsturz, wird zur Wunderheilerin, sieht den Regenwald-Raubbau. Die Handlung des Dramas der Berliner Filmemacherin Pia Marais klingt erstmal abstrus, ist aber sehenswert!

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Endloses Grün in Cinemascope. Die Kamera fliegt über den brasilianischen Regenwald. Sie taucht ein in das Blätterdach und erkundet eine von Zwitschern, Summen und Brummen übertönte, unwirklich wirkende Welt. Dass sich nach und nach Flugzeugtrümmer aus dem Dickicht des Regenwalds schälen, lässt die Szenerie noch irrealer erscheinen.

Ein kleines Mädchen mit blutverschmiertem Gesicht hat offensichtlich als einzige überlebt. In der Ferne erscheint ein Indigener mit Pfeil und Bogen, der sich ihrer annimmt. Dass Rebeccas Vater, ein evangelikaler Missionar, das Mädchen zur Wunderheilerin erklärt und ihren Ruf für seine Gottesdienste nutzt, scheint nach diesem wundersamen Filmbeginn nahe zu liegen.

Pia Marais, die in Südafrika aufgewachsene Arthouse-Filmemacherin aus Berlin, greift in „Transamazonia“ Motive auf, die man aus Western kennt. Siedler, die in das Gebiet der Ureinwohner eindringen: Hier sind es die Holzfäller, die sich mit kreischenden Kettensägen und schwerem Gerät über majestätische Baumriesen hermachen.

Dann ist da der Stamm der Iruaté, der Widerstand leistet, indem er die Schnellstraße blockiert, die für das Vordringen der Holzfäller und den Abtransport der Stämme wichtig ist. Und da sind die Seelenfänger, die mit dem Eindringen der Kolonisatoren in die „Wildnis“, die dort Siedlungen für ihre Familien gründen, gemeinsam im Land der Indigenen ankommen.

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Nur dass Missionar Lawrence Byrne (Jeremy Xido) in diesem Gegenwartsdrama – anders als in früheren Jahrhunderten – zwar die Herrschaft Gottes predigt, aber keinen Herrscherkult weißer Christen mehr beschwört. Wovon die indigenen Bibelschüler der Missionsstation wie Silas (Hama Luciano) nicht ganz überzeugt zu sein scheinen. Für ihren Sabotagekampf gegen die bewaffneten Holzfäller klauen sie zumindest sein Benzin.

Wunder in weiß. Prediger Byrne (Jeremy Xido) inszeniert seine Tochter (Helena Zengel) beim Gottesdienst.

© 2024 Mathieu De Montgrand/Pandora Film

„Wir trauen deinem Gott nicht“, sagt der Chef der Iruaté denn auch dem Missionar ins Gesicht, als der anbietet, durch die Heilung der kranken Frau des Sägewerkchefs die Holzfäller davon zu überzeugen, das Land des Stammes zu verlassen. Heilerin Rebecca, die mit Silas befreundet ist, hinterfragt zusehends die Rolle, die der Vater ihr auferlegt hat. Und schließlich auch die eigene Herkunft.

„Transamazonia“ ist eine atmosphärisch dichte, manchmal zu ruhig erzählte Meditation über Religion, Ökofrevel, den Zusammenprall der Kulturen und zugleich ein Coming-of-Age-Drama.

Helena Zengel, deren Charisma seit ihrem Durchbruch mit „Systemsprenger“ und mehreren internationalen Produktionen auch in Hollywood bekannt ist, spielt auf Portugiesisch und Englisch (in der Originalfassung). Auch als Teenager hat sie nichts von ihrer Darstellungskraft verloren. Schon gar nicht in dieser Rolle, die ihr reduzierte Dialoge, aber intensive Blicke beschert.

Heilerin und Missionar. Rebecca (Helena Zengel) und ihr Vater Lawrence Byrne (Jeremy Xido).

© 2024 Mathieu De Montgrand/Pandora Film

Als sie und Silas das einst im Regenwald zugewachsene Triebwerk des Unglücksflugzeugs ihrer Kindheit wiederfinden, das nun in einem abgeholzten Gebiet herumliegt, erscheint es wie ein Menetekel. Nach dem zufälligen Einbruch der technisierten Welt in die Wildnis, wie sie neun Jahre zuvor beim Flugzeugabsturz geschah, folgt deren Ausbeutung.

Das Triebwerk lag einst eingewachsenen im Urwald. Rebecca (Helene Zengel) und Silas (Hama Luciano) staunen.

© 2024 Mathieu De Montgrand/Pandora Film

Pia Marais, die sich für ihren Dreh im Regenwald der Mitwirkung der dort lebenden Völker versichert hat, stilisiert den Urwald im Verein mit Kameramann Mathieu de Montgrand zu einem Ort der Schönheit und der Mysterien, aber ohne ihn zu glorifizieren.

Sie erzählt vom Missbrauch der Religion, ohne die Religion zu diskreditieren. Sie stellt weder Holzfäller noch Indigene schwarz oder weiß dar. Vielmehr liegt ein existenzielles Fremdeln, ein Unverständnis zwischen Indigenen, Weißen und Botanik über den Bildern.

Diese Differenziertheit kommt „Transamazonia“ zugute, aber in ihrer vage bleibenden Erzählhaltung schwächt sie das mäandernde Drama trotz der Konfliktdichte auch. Mit einer Ausnahme: Die von Manipulation, um nicht zu sagen Machtmissbrauch geprägte Beziehung zwischen Vater und Tochter fliegt auseinander und setzt sich glaubwürdig neu zusammen.

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