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Zartes Band. Das „Schlafende Mädchen“ (1899) von Lovis Corinth wird bei Grisebach mit 100 000 Euro aufgerufen.

© Villa Grisebach

Herbstauktion in der Villa Grisebach: Wenn Olympia träumt

Die Herbstauktionen starten in neuen Räumen. Und noch etwas ist im Wandel begriffen: Die zunehmende Präsenz zeitgenössischer Künstler und das langsame Verschwinden der Expressionisten, die dem Haus einst Millionenzuschläge einbrachten.

Leicht benommen rückt Lovis Corinths „Schlafendes Mädchen“ das schwarze Halsband zurecht, bevor es zurück in die Kissen fällt. Die Decke ist zur Seite geschoben, das Knie blitzt darunter hervor. Die schwarzen Strümpfe hat die junge Frau angelassen. Wo sich Körper und Bett übereinanderlegen, setzt Corinth den dunklen Seidenstoff zwischen die grauweißen Laken. Nicht die Entblößung schafft Erotik, sondern was verhüllt bleibt. Für Vilém Flusser war das Bett ein Ort, an dem der Mensch zwischen Geburt, Tod und Wirklichkeit schweben konnte. Das Dazwischen wird bei Corinth zur Ewigkeit. Statt kunstvoll entrückt, formt er das Begehren direkt. Corinths Mädchen darf man Verwandtschaften zu Tizians Venus von Urbino und Manets Olympia nachsagen, sein Farbauftrag erinnert an den flämischen Porträtmaler Frans Hals.

In der Villa Grisebach kommt das Werk von 1899 am Donnerstag mit einer Schätzung für 100 000 bis 150 000 Euro zum Aufruf. Mehr als 1400 Lose sollen während der acht Herbstauktionen den Besitzer wechseln, mit Einnahmen in Höhe von siebzehn Millionen Euro wird gerechnet. Mit Kunst des 19. Jahrhunderts eröffnet die Reihe, angeführt wird die Sektion von Adolph Menzels „Stehenden Rüstungen“ (1866). Glänzend gepanzert rücken sie zum Betrachter vor. Ihr Anführer kippt beim zweiten Hinsehen ins Komische – denn unter dem Harnisch wartet Leere. Die Gouache war bis 1940 im Besitz der später im KZ Theresienstadt ermordeten Adele Pächter, Witwe des Berliner Galeristen Hermann Pächter. Die Wiener Albertina, wohin das Blatt Anfang der sechziger Jahre übergeben wurde, restituierte es in diesem Jahr an die Erben. Nun wird es auf 100 000 bis 150 000 Euro geschätzt.

Zwischen der Entwurfsstudie für ein Fenster im Prager Veitsdom von Alfons Mucha (8000–12 000 €) und Franz von Stucks Ölentwurf zu „Judith und Holofernes“ (15 000–20 000 €) fällt besonders ein Blatt ins Auge: 9,7 x 16,5 Zentimeter misst die Zeichnung von Caspar David Friedrich. „Verschiedene Segelboote“ hat er Ende des 18. Jahrhunderts skizziert. Aus dem Nachlass von Johan Christian Clausen Dahl wanderten sie von der Dresdner Kunsthandlung Kühl in eine Privatsammlung(40 000– 60 000 €).

Wenig Expressionisten

Mit den Herbstauktionen werden die neuen Räumlichkeiten der Villa Grisebach, zwei Hausnummern vom Haupthaus entfernt, mit zeitgenössischer Kunst aus Deutschland eingeweiht; darunter Arbeiten von Neo Rauch, Joseph Beuys und Anselm Kiefer. Thomas Demands „Detail VIII (Copyshop)“ von 1999 erzählt vom Alltag (40 000–60 000 €), Thomas Schüttes „Wattwanderung“ von 2001, ein Portfolio aus 139 Farbradierungen, liefert das Stimmungsbild für die Zeit nach dem Jahrtausendwechsel (150 000–200 000 €).

Wo die Zeitgenossen gestärkt ins Feld ziehen, muss man die Expressionisten, die dem Haus in der Vergangenheit Millionenzuschläge einbrachten, in diesem Herbst suchen. Da ist das Spitzenlos unter den ausgewählten Werken: Max Beckmanns „Stürmische Nordsee“ bei Wangerooge – das letzte Bild des Malers , bevor er nach Amsterdam emigrierte. Von den Dünen aus schaut er 1937 auf die Wolken, das Meer, den Strand. Die Wochenendgäste sind längst aufgebrochen, am Horizont zieht ein Gewitter auf. 1938 erwarb der Autor Stephan Lackner das Gemälde; danach blieb es in Familienbesitz. Am Donnerstag rechnet man mit 800 000 bis 1 200 000 Euro.

Wenig später kommt in der Orangerie-Auktion eine Leopardenkappe aus dem Nachlass von Romy Schneider zu Aufruf. Coco Chanel entwarf für die gebürtige Wienerin Filmkostüme, privat trug die Schauspielerin oft Hut. Der Fotograf Kurt Will fing ihr Lachen 1963 als Porträtserie ein: Da sitzt sie, rauchend, mit der Mütze im Haar (2000–3000 €).

Die Dame Monroe

Marilyn Monroe erschien 1956 zu ihrem Fototermin im New Yorker Ambassador Hotel mit einer Stunde Verspätung. Cecil Beaton, Hollywoods Hoffotograf, sollte Monroes klassische Schönheit betonen. In der Fotoauktion wird ein früher Silbergelatineabzug der Sitzung für 2500 bis 3500 Euro angeboten. Gehüllt in weiße Seide liegt Monroe auf dem Bett, eine Nelke an die Brust gedrückt. Die naive Unschuld weicht einem wissenden Lächeln. Beaton machte das Pin-up-Girl zur Dame.

Villa Grisebach, Fasanenstr. 25/27 u. 73, Vorbesichtigung: bis 25. 11., Fr–Mo 10–18, Di 10-17 Uhr; Versteigerungen: 26.–29. 11.

Laura Storfner

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