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Vielversprechender Auftakt einer neuen Serie.

© Arena

Kinderroman: Hogwarts liegt in Colorado

Das erste Abenteuer von „Arlo Finch“ von John August

Pine Mountain, Colorado. Eine Bushaltestelle, eine Ampel, eine Schule. Auf der Landkarte ein winziger Punkt inmitten riesiger Wälder. Und das neue Zuhause von Arlo Finch, zwölf Jahre alt, ein braunes und ein smaragdfarbenes Auge. Samt seiner mauligen Teenagerschwester Jaycee und der patenten, aber nervlich lädierten Mutter verschlägt es ihn aus Chicago in das verschlafene Bergnest. In ein Haus ohne Internet, aber voller ausgestopfter Tiere, die sein wortkarger Onkel Wade präpariert – während Arlos Dad sich in China vor dem FBI versteckt. Für die meisten Zwölfjährigen Grund genug, sich morgens einfach die Decke über den Kopf zu ziehen und der Welt da draußen den Mittelfinger zu zeigen.

Nicht so für Arlo Finch, den jungen Helden des gleichnamigen Buches von John August. Neugierig nimmt er die Herausforderung an, findet in dem liebenswerten Henry Wu und der schnippischen Indra schnell neue Freunde und wird Mitglied ihrer Pfadfindertruppe. Doch was die Ranger in den nächtlichen Wäldern rund um Pine Mountain so treiben, verschlägt Arlo – der sich selbst für ziemlich 08/15 hält – dann doch gehörig die Sprache. Mit Schnipslichtern, Wischen und Wolpertingern hatte er bisher jedenfalls nichts am Hut. Wovor will Hund Cooper ihn warnen, der immer wieder bei Arlos einsamem Haus auftaucht – und eigentlich tot sein sollte? Wer ist das Mädchen, das er in einer Regennacht in der Spiegelung seines Fensters sieht? Und steckt am Ende vielleicht mehr in Arlo, als er selbst je vermutet hätte?

Auftakt zu einer Serie und einem Film

Der Untertitel „Im Tal des Feuers“ verrät es: „Arlo Finch“ ist der erste Teil einer Reihe, die in den USA im Februar 2019 mit „The Lake of the Moon“ („Der Mondsee“) und ein Jahr später mit „The Kingdom of Shadows“ („Das Königreich der Schatten“) fortgesetzt wird. Das muss man wissen, um zu verstehen, warum John August – Journalist und lange Jahre Drehbuchautor – sich so viel Zeit nimmt, um die Handlung seines ersten Kinderbuches genüsslich zu entspinnen. Jede Szene beschreibt er bis ins Detail, sei es am knisternden Lagerfeuer der Ranger oder in Onkel Wades skurriler Präparierwerkstatt. Das kann stimmungsvoll sein, zuweilen aber auch ermüdend – zumal selbst am Ende des ersten Bandes nicht verraten, ja, nicht einmal angedeutet wird, in welche Richtung das Abenteuer sich entwickelt. Die Dialoge aber sind herrlich witzig, kurz und knackig.

Ein wenig kommt es einem vor, als sei Harry Potter unter die in den USA so populären Boy Scouts gegangen (die sich seit Mai dieses Jahres übrigens zeitgemäß nur noch Scouts nennen). Die Spannung vor der Wahl des richtigen Trupps/Hauses, das Trainieren der Schnipslichter/Zaubersprüche, die kluge, besserwisserische Indra/Hermine, der unscheinbare Neuling Arlo/Harry, dem Großes bevorsteht. Hogwarts in den düsteren Wäldern Colorados – gibt es einen spannenderen Ort? Silke Zorn

John August: Arlo Finch. Im Tal des Feuers. Übersetzt von Wieland Freund und Andrea Wandel, illustriert von Helge Vogt. Arena Verlag, Würzburg 2018. 305 S., 16 €. Ab zehn Jahren.

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