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Kultur: Holzschuhtanz ums Ehebett

Eine Frau und ein Mann sitzen auf einem Holzpodest.Sie schauen geradeaus und sagen kein einziges Wort.

Eine Frau und ein Mann sitzen auf einem Holzpodest.Sie schauen geradeaus und sagen kein einziges Wort.Was sich in der Folge vor ihnen und dem Auditorium abspielt, könnte man als eine Art Retrospektive der Szenen einer Ehe beschreiben.Und diese Szenen sind - gemäß dem Titel des Stückes, das Andreas Janes für das "theater eos" geschrieben und in der Werkstatt des Schiller-Theaters selbst inszeniert hat - "Un-heimlich besetzt".Nämlich mit Klischees.

Im Anfang also ist das Privileg der Unwissenden: Die Liebe dauert, der Blick ist kosmisch und der Rest Schweigen.Darauf folgt - so lautet das Gesetz - die Qual der tieferen Einsicht: Die Liebe dauert nicht.Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben (hier: aufs Feld).Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau.Mit dem Besen.Und den Kindern.Es ist dies das Stadium, in dem der Mann mit der Frau zu reden beginnt.Er sagt: "Ist das Essen fertig?!" Sie sagt: "Gleich." Jenseits des gemeinsamen Alleinseins ist nun die Frau, Martha, wechselweise ganz heimlich besetzt mit Tötungsphantasien und ganz unheimlich mit dem Traum, der Mann, Wilhelm, möge sie in den leeren Raum hinter dem Holzpodest tragen und statt "Ist das Essen fertig?!" "Deine Gestalt ist wie ein Palmenbaum" sagen.(Solche Sätze sind in Visionen erlaubt.) Der Wilhelm indes ergeht sich in klassisch männlichen Domänen; des Tages fällt er mit seinem Nachbarn Bäume, des Abends klopft er ihm beim Kognak auf die Schulter, und schließlich wird er - anfangs ebenfalls ganz heimlich - auch ein bißchen schwul.

Andreas Janes wollte nun diese auf dem Szenario bis zur Erschöpfung reproduzierte Tristesse des real existierenden ehelichen "Laß mich in Ruhe!" intendiertermaßen mit den Bildern in Marthas und Wilhelms Köpfen kontrastieren.Und weil die Sehnsucht im allgemeinen jenseits der Sprache angesiedelt und das Stück zudem eine Tragödie über verbale Hilflosigkeit ist, pflegt der Regisseur einen sichtlich körperorientierten Inszenierungsstil.Dafür hat er in Sheri Hagen eine wundervolle Schauspielerin.In der Phase der fortgeschrittenen Desillusionierung gibt es beispielsweise diese Szene, in der Martha "zur Feier des Tages" (welche im übrigen darin besteht, daß der Nachbar seinen Freund zum gemeinsamen Trinken aufsucht und Martha auch ein paar Gläschen abbekommt) die Schürze ab- und eine Perlenkette anlegt.Und wie Sheri Hagen sich dann schnell das Kleid zurechtstreift und wie sie schaut, wenn sie in der folgenden allseitigen Grenzüberschreitung mit den Männern tanzt und sie schließlich beide ins Bett zieht; wie sie schaut, wenn sie aufsteht, weil die Männer nicht ihr, sondern einander in den Armen liegen - das hätte eigentlich schon gereicht.Das war es schon, dieses gesamte Heimliche und Unheimliche zwischen Vision und Wirklichkeit.Aber Janes überschüttet diese wunderschönen Augen-Blicke mit lauter Offensichtlichem: Der Alltag ist zumeist grell beleuchtet; den Traum signalisieren ein roter Spot und Wasserplätschern aus dem Off.Das ist mir zuviel.Auf der anderen Seite müssen Marthas Mann (Nikolaus Schlieper) und der Nachbar (Hubertus Regout) selbst in ihrem Begehren tendenziell die immergleichen stumpfen, groben Stammtischfetischisten bleiben; und das ist mir zuwenig.Wenn schließlich - was ebenfalls wiederholt geschieht - getanzt wird, sind die Bewegungen genauso hölzern wie die Schuhe, in denen sie vollführt werden.Die erklärte "Betonung des Körperausdrucks" rutscht in diesen Momenten in eine unmotiviert anmutende Pantomime ab; und wenn Martha gen Finale sagen muß: "Das Leben geht weiter", hat sie irgendwie recht.

Weitere Vorstellungen vom 5.bis 9.und 12.bis 15.August, jeweils um 20.30 Uhr.

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