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Kultur: "Ich liebe Dick" ein Polit-Klamauk von Andrew Fleming

Bob Woodward und Carl Bernstein waren einmal Helden des gründlichen, sachlichen und kritischen Journalismus. Den beiden emsigen Reporten der "Washington Post" gelang es, den größten Skandal der amerikanischen Politik aufzudecken: die Watergate-Affäre.

Bob Woodward und Carl Bernstein waren einmal Helden des gründlichen, sachlichen und kritischen Journalismus. Den beiden emsigen Reporten der "Washington Post" gelang es, den größten Skandal der amerikanischen Politik aufzudecken: die Watergate-Affäre. Doch auch heute, 25 Jahre nach dem Rücktritt Präsident Nixons, ist eine Frage unbeantwortet: Wer war "Deep Throat"? Bis heute ist unklar, ob sich hinter diesem Namen ein Informant aus dem Weißen Haus verbarg oder Woodward und Bernstein diese Identität erfanden, um ihre Recherchen zu verschleiern. "Deep Throat" war auch der Titel eines damals sensationellen Kassenschlagers: ein Billig-Porno, in wenigen Tagen für gerade mal 24 000 Dollar zusammengeschustert. Der Film erzählt von einer Frau, deren Klitoris in ihrem Schlund sitzt. Insbesondere die Einnahmen aus dem Videoverleih, 20 Millionen Dollar, veranlassten Hauptdarstellerin Linda Lovelace, ihre Fähigkeiten in über einem Dutzend weiterer Filme zu demonstrieren.

Auch Woodward und Bernstein konnten nicht genug bekommen. Fortgeschrittenes Partylöwentum und journalistische Fehlschläge, so wird berichtet, zersetzten ihre Glaubwürdigkeit. Ähnlich wie Linda Lovelace leben sie von verblichenem Ruhm und werden in den US-Medien regelmäßig abgewatscht. Nun müssen sie auch noch als Zielscheibe einer Komödie herhalten. Der Titel "I Love Dick", zu Deutsch: "Ich liebe Dick", ist ein Spiel mit dem Spitznamen von Richard Nixon. Als "Dick" wird umgangssprachlich auch jenes Organ bezeichnet, das Männer zum Betrachten von Filmen wie denen von Linda Lovelace verleitet. Folglich gibt es Dutzende von Dick-Jokes, die nur im Original verständlich sind.

Schlüpfrigkeiten im Zusammenhang mit dem Oval Office haben noch immer Konjunktur. Doch jene Wahrheit über "Deep Throat", die Regisseur und Co-Autor Andrew Fleming zeigt, ist so naiv und unschuldig, dass die Gattung des Praktikantinnen-Witzes nicht bemüht wird. "Deep Throat" sind zwei quietschende College-Girls, von denen eines zufällig im Watergate-Gebäudekomplex wohnt. Als die beiden bei einer Führung im Weißen Haus zufällig Dinge sehen, die sie nicht sehen sollten, stellt "Tricky Dick" Nixon sie ein, um seinen Hund auszuführen. Damit glaubt er sie unter Kontrolle zu haben. Fortan sind die beiden gern gesehene Gäste. Besonders ihre selbstgebackenen Kekse, in denen das Marihuana eines älteren Bruders enthalten ist, werden sehr geschätzt. Bald ist das gesamte Weiße Haus entspannt - der Vietnam-Krieg geht zu Ende, man nähert sich den Russen. Und Woodward und Bernstein stolpern wie Pat und Patachon durch eine Siebziger-Jahre-Party mit Musik von Elton John bis Abba, bei der die letzten Geheimnisse um Watergate gelüftet werden. Trotz freundlicher Kritiken spielte die aufgekratzte Satire in den USA nur knapp die Hälfte ihres Produktions-Budgets von 13 Millionen Dollar ein. Detailwissen über einen Skandal, der 25 Jahre zurückliegt, bringt nicht jeder mit ins Kino - in erster Linie wohl Politologen und Amerikanisten. Aber warum sollen die nicht auch einmal etwas zu lachen haben?In Berlin in den Kinos Kinowelt Friedrichshain, Le Prom, Zoo Palast.

Ralph Geisenhanslüke

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