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Abschiedstour. Simon Rattle.

©  Monika Rittershaus

Simon Rattle und die Philharmoniker: In ausgelassener Stimmung

Bilanz aus 16 Jahren: Simon Rattle dirigiert in der Philharmonie eines seiner letzten Konzerte als Chef der Berliner Philharmoniker.

Noch einen Monat lang leitet Simon Rattle die Berliner Philharmoniker, bis zum Abschied an gleich zwei Abenden in der Waldbühne. Es ist eine arbeitsreiche Zeit, die Gedanken an das Ende einer Ära bislang nicht aufkommen lässt - wäre da nicht eine gewisse Rückschau in den Programmen, der Versuch, musikalisch doch eine Summe aus 16 Berliner Jahren zu ziehen. Im Konzert am Samstagabend, das die Philharmoniker quasi zum Aufwärmen für die letzte Tournee mit dem scheidenden Chef spielen, geht es um Herzensangelegenheiten. Und damit auch darum, welche Blütenträume nicht voll ausreifen konnten. Oft belächelt wurde Rattle für seine „Tapas“, die mehr Gegenwartskomponisten aufs Podium holen sollten, mit Hilfe von kurzen, den musikalischen Appetit anregenden Stückchen. Im Grunde eine moderne Variante der klassischen Ouvertüre, klafften bei den Auftragswerken Aufwand und Ertrag mitunter weit auseinander. So ist es nicht tragisch, dass es am Ende keinen Abend mit den zum Menü gereihten Rattle-Tapas gibt. Es verrät aber doch, was die Musiker von der Idee ihres Chefs halten. Dabei sind die aktuell servierten „Three Pieces for Orchestra“ des Dänen Hans Abrahamsen in ihrer vertrackten, aber nicht abweisenden rhythmischen Faktur nicht ohne Charme – und ihr letzter Satz, ein leiser Blues, ist kein ganz abwegiges Einschwingen auf den Hauptgang des Abends.

Die Rattle-Band zeigt sich vor ihrer Reise nach London, Wien, Amsterdam, Köln, Madrid und Barcelona in ausgelassener Spielstimmung, und der Chef tischt noch einmal groß auf, mit Bruckners Neunter samt rekonstruiertem Finalsatz. Nach Mahlers Zehnter ist dies der zweite von künstlerischer Empathie getragene Versuch des Briten, Musik hörbar zu machen, auch wenn ihre Schöpfer sie nicht vollenden konnten. Nicht aus Hybris, sondern im Vertrauen darauf, dass diese letzten Gedanken lieber geteilt werden, anstatt das Unvollendete zu mystifizieren. Bei Mahler war Rattle erfolgreich, die Cooke-Fassung der Zehnten gehört zum Repertoire. Bei Bruckner, den er in der komplettierten Fassung 2012 mit den Philharmonikern erstmals aufgeführt hat, liegen die Dinge vertrackter, gerade weil der Komponist, um sein Vermächtnis wissend, hier noch einmal neu zu formulieren sucht – ein bei aller Hingabe in der Aufführung nur schwer zu fassendes Moment.

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