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Kultur: In weiter Ferne, so nah

Die Topographie des Terrors wird schon wieder verzögert

Häuser zur Erinnerung an den NS-Terror zu bauen, scheint in Berlin etwas schier Unmögliches zu sein. Das Holocaust-Mahnmal schleppt sich von einer politischen Querele zur nächsten. Bei der Topographie des Terrors sind sich Ausstellungsmacher und Politiker zwar einig – die Bauarbeiten für das geplante Dokumentationszentrum kommen trotzdem nicht vom Fleck. Am Montag gab Senatsbaudirektor Hans Stimmann im Abgeordnetenhaus eine neuerliche Verschiebung der Baumaßnahmen bekannt. Frühestens im Herbst werden die seit drei Jahren ruhenden Arbeiten auf dem Gelände der früheren Gestapozentrale hinter dem Martin-Gropius- Bau wieder aufgenommen und zwar durch die Nachfolgefirma der vergangenen November Pleite gegangenen Braunschweiger Baufirma Heibus.

Da aber die hoch sensible Stabwerks-Konstruktion des Schweizer Architekten Peter Zumthor nur bei frostfreiem Boden montiert werden könne, sei jetzt schon klar, dass die Arbeiten kommenden Winter nicht abgeschlossen werden können, sondern frühestens im Herbst 2005. Dennoch ist Stimmann davon überzeugt, dass das Gebäude im Sommer 2007 fertig ist. Ursprünglich sollte das Dokumentationszentrum 1998 eröffnet werden. Den Architekturwettbewerb gewann Zumthor 1993.

Erstmals sprach Stimmann nun auch davon, dass man an der Innenausstattung des Gebäudes werde sparen müssen, wenn man die geplanten Kosten von 38,8 Millionen Euro nicht überschreiten wolle. Deshalb sei geplant, das audio-visuelle System für das Haus zu leasen, statt zu kaufen. Ob es bei diesen Einsparungen bleiben wird, darf man durchaus bezweifeln: Der Senatsbaudirektor verhehlte nicht, „dass gewisse Risiken für die Betriebskosten“ bestehen.

„Wir bauen hier ja keine Turnhalle“, rechtfertigte sich Stimmann vor der Kritik der Oppositionsfraktionen. Das Bauvorhaben sei sehr schwierig und durch die Insolvenz zweier privater Baufirmen ins Stocken geraten. Wenn nicht in diesem Frühjahr endgültig geklärt werde, ob der Zumthor-Bau zu realisieren sei, werde man mit einem Architekturwettbewerb von vorne beginnen. „Das wünsche ich uns nicht“, sagte Stimmann, „denn dann wäre der Weg, der vor uns liegt noch länger, als der bereits beschrittene“.

„Der Stillstand des Baus ist eine große Belastung“, sagte Reinhard Rürup, Direktor der Gedenkstätte. Trotz der erfolgreichen Arbeit, der 300000 Besucher und mehr als 1000 Führungen im vergangenen Jahr gelte die Topographie nur noch als Problemfall. Da der Mietvertrag in der Budapester Straße 2004 ausläuft, plant die Geschäftsstelle ihren Umzug in eine Büroetage in der Stresemannstraße. Dort könne man die Bibliothek mit 18000 Bänden besser zur Geltung bringen und zusätzliche Seminarräume nutzen. Rürup fürchtet, die Topographie könnte noch später als das zurzeit diskutierte Vertriebenen-Zentrum fertig werden – mit dessen Hilfe sich seiner Ansicht nach „Täter zu Opfern umdeuten wollen“. Einstweilen müssen sich die Berliner in Erinnerungsdingen mit Daniel Libeskinds Jüdischem Museum zufrieden geben. Eigentlich ein Wunder, dass dieses Haus schon steht.

Claudia Keller

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