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TV-Moderator Jan Böhmermann und sein Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld beim Konzert am 25.01.2019 im Haus Auensee Leipzig

© Holger John/ imago/VIADATA

Jan Böhmermann live in Berlin: In meinem Battle bin ich der Star

Mit Jan Delay, politischen Texten, Kalauern und viel Groove: Die Auftritte von Jan Böhmermann und seinem Tanzorchester Ehrenfeld in Berlin.

Jan Böhmermann mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld live auf der Bühne, das ist so eine Art „Neo Magazin Royale“ als musikalische Revue. An gleich zwei ausverkauften Abenden in der Berliner Columbiahalle konnte man das dieses Wochenende erleben. Die Gags, das Ironiefeuerwerk, die coolen Sprüche, alles wie im Fernsehen, nur eben nicht präsentiert als Comedy-Show, sondern als Konzert. Auch „Neo Magazine Royale“-Comedians wie Florentin Will und Giulia Becker dürfen bei ihren Gastauftritten keine Witze reißen, sondern müssen singen. Aber natürlich sind ihre Liedtexte lustig.

Die große Frage aber ist: Wird Böhmermann auch als Sänger eine zweistündige Live-Show tragen können? Die Antwort lautet: Er muss es gar nicht. Denn der eigentliche Star des Abends ist gar nicht er, sondern das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld. Den 17 Musikern, die mühelos zwischen Swing, Disco und Hip-Hop changieren, gehört die Bühne. Den Bläsern und Streichern des Orchesters, den Sängerinnen und all den anderen an Gitarre, Schlagzeug, Bass und Synthesizer, die für gehörig Groove sorgen. Und damit sie ausgiebig zeigen können, was sie so drauf haben, bekommen sie auch immer wieder die Möglichkeit, ohne den TV-Showmaster ihre Stücke zu spielen.

Politisch ist der Abend durchaus

Böhmermann selbst ist Sänger und Showman und gleichzeitig immer auch die Karikatur eines Sängers und Showmans. Er betritt die Bühne mit Pelzmantel, Sonnenbrille und Goldglitzerhose. Damit sieht er ein wenig aus wie eine weiße, schmächtige Karnevalsversion von Barry White. Im Laufe des Konzerts wird er sich noch ein paar Mal umziehen, so wie sich das gehört bei großen Shows.

Sein erster Spruch legt die Niveaulatte noch eher niedrig. Mit „Na, ihr verweichlichten Globalisierungsgewinner“ wendet er sich an sein Publikum. Um dann mit einer pompösen Version von „Jacky“ einzusteigen, dem Chanson von Jacques Brel, der in der Version von Scott Walker weltberühmt wurde. Ein Beginn, der klar macht, dass die gebotene Musik bei dieser Show, auch wenn sie zum größten Schabernack erklingt, eine gewisse Klasse haben wird.

Im weiteren Verlauf gibt es beispielsweise noch Kompositionen von Udo Jürgens und Kurt Weill. Und wenn das Ausgangsmaterial mal nicht die allerhöchste Güteklasse hat, etwa bei Kay Ones „Style & Das Geld“, dann wenigstens die Interpretation von Böhmermanns Orchester. „Ich hab Style und das Geld. Ich hab all das, was den Fotzen so gefällt“, heißt es in dem Song. Als Max-Raabe-artiger Swing dargeboten, entwickelt auch so ein Text einen ganz eigenen Witz.

Bei "Tausend Jahre sind ein Tag“ klingt er tatsächlich richtig gut

Einen „politischen Schlagerabend“ werde er präsentieren, kündigt Böhmermann bald seinem Publikum an. Und politisch ist er durchaus. Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, bekommt einen Song gewidmet, in dem dieser unter anderem als „rechter Populist“ bezeichnet wird. In einem anderen Lied geht es in satirischer Art und Weise um die prekären Arbeitsbedingungen in der Paketzusteller-Branche. „Er ist kein Mensch, er ist kein Tier, nein, er ist Paketkurier", heißt es darin.

Aber er kann auch ganz anders, der Böhmermann. Nicht nur doppelbödig und zynisch. Sondern er vermag es, ein tolles Lied auch einfach mal ziemlich passabel so zu performen, dass man nur die Musik genießen will. Wenn er „Tausend Jahre sind ein Tag“ von Udo Jürgens originalgetreu covert, dann klingt er tatsächlich wie ein richtig guter Sänger, ja fast wie Udo Jürgens selbst.

Viele der Stücke in der Columbiahalle erlebten ihre Premieren beim „Neo Magazin Royale“, sie sind den Fans der Show also bereits bekannt. Bei manchen Songs singt das Publikum textsicher mit. Böhmermann ist auch als Sänger längst ein Star. Und auch als er dann als völlig neue Kunstfigur zurück auf die Bühne kommt, als Rapper mit Hoodie, wissen alle sofort Bescheid. Böhmermann ist jetzt Polizistensohn, der derbste aller Battle-Rapper, bekannt aus Funk und Fernsehen. Auch bei dieser Rolle gilt wieder: Böhmermann ist Rapper – und er ist die Karikatur eines Rappers. Und ironisiert damit auch das gesamte Genre des deutschen Battle-Raps.

Nur Jan Delay ist an diesem Abend besser

Bereits eingestimmt auf Hip-Hop, steht nun plötzlich ein echter Rapper neben ihm. Man muss schon zwei Mal hinsehen, um sicher zu sein, dass Special-Guest Jan Delay auch wirklich der näselnde Sänger aus Hamburg ist und nicht doch jemand, der diesen bloß lustig imitiert. Aber er ist es, stilsicher wie üblich, mit Anzug, Krawatte, Hut und Einstecktuch. Kurze Ansage ans Publikum, dann singt er „Hammerhart“ von den Beginnern. Im direkten Vergleich zu Jan Delay, dem eine kurze Showeinlage genügt, um die Stimmung in der Halle so richtig zu lösen, wird schnell klar, dass Böhmernann an seiner Live-Präsenz doch noch ein wenig arbeiten muss. So locker und cool wie Live-Profi Jan Delay in seinen paar Minuten ist er während der ganzen zwei Stunden nicht.

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