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Elektrisiert von Schiller: Claudia Bossard liest „Die Räuber“ als mentalitätsgeschichtliches Zeitdokument.

© Apollonia Theresa Bitzan, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

„Jeder Angriff sitzt!“: Claudia Bossard bringt Schillers „Die Räuber“ nach Berlin

Die Regisseurin Claudia Bossard liest Friedrich Schillers Drama als zeithistorisches Dokument. Über ihre Inszenierung von „Die Räuber“ am Deutschen Theater.

Von Simone Kaempf

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In schönster helvetischer Sprachmelodie sagt Claudia Bossard: „Ich komme aus der Schweiz, das hört man natürlich.“ Friedrich Schillers Befreiungs-Drama „Wilhelm Tell“ kennt dort natürlich jedes Kind.

Aufgrund ihres anderen kulturellen Backgrounds wurde sie in der Vorbereitung zu „Die Räuber“ noch einmal ganz neu von Schiller ergriffen, auch von der damit eng verbundenen Zeitgeschichte.

„Wie Deutschland vor zweihundert Jahren ein Flickenteppich war und dann versucht wurde, Gerechtigkeit herzustellen und sich aus der Leibeigenschaft zu befreien, kann man sich ja kaum vorstellen. Die Schweiz ist ja ganz anders entstanden. Und wie dann der späte Schiller sowie Lessing und Goethe programmatisch an einer Sprache und Kultur gearbeitet haben, um eine Nation zu bilden, das finde ich absolut besonders.“

Die 40-Jährige hat vor ihrer Regie-Laufbahn Literaturwissenschaft in Bern studiert. Auch darauf kommt man schnell im Gespräch mit ihr. „Ich diskutiere schon gerne zwei Stunden über einen einzelnen Satz“, erzählt sie.

Angefangen hat sie mit den Stücken von Jelinek

Bei den „Räubern“ sei das herausfordernd, weil inhaltlich sehr viel angesprochen werde. Das gründliche Lesen der Texte ist in ihren Inszenierungen stets spürbar.

Damit hat sie sich einen Namen gemacht und den Maßstab von Beginn an hoch gesetzt. Denn angefangen hat sie mit den auswuchernden Stücken von Elfriede Jelinek, durch die sie zum Theater gefunden hat.

Dazu kamen Gegenwartsstücke, Romane, Klassiker, insgesamt sehr unterschiedliche Texte. „Ich denke, die Kraft der Sprache vereint alle. Aber natürlich brauche ich inhaltliche Anknüpfungspunkte“, sagt sie.

Bossard lebt seit drei Jahren in Berlin. Zuvor lagen ihre Arbeits- und Lebensmittelpunkte in Wien und Graz. An den großen Häusern in Zürich, Bochum und München hat sie jüngst inszeniert.

Mit der neuen Intendantin des Deutschen Theater ist sie nach Berlin gewechselt. Am DT zeigte sie vor Jahren mit Rainald Goetz’ „Baracke“ ihre andere Stärke: ideenreich und überraschend zu inszenieren, verblüffende Bilder zu finden.

Der Zusammenhang zwischen bürgerlichem Familienleben und dem rechten NSU-Terror wurde in ihrer Inszenierung deutlicher als im Text.

Um den Zerfall und die Schaffung von Ordnung geht es auch in „Die Räuber“.

„Der Aufbruch in etwas Neues, was verhindert wird durch die Rückkehr in engere Denk-Korsette“ ist ein Kerngedanke für sie.

„Wir reden auf den Proben aber auch gerade ganz viel darüber, wer die Räuber heute sind. Ein Robin-Hood-Gedanke steckt ja auch drin. Und was ist denn die Revolution heute in diesem Land im Vergleich zu damals?“

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Mit drei Schauspielern und einer Schauspielerin inszeniert Bossard den Abend. Als zeithistorisches Dokument betrachtet sie das Stück. Und um den Umgang mit Kultur und Hochkultur soll es auch gehen.

„Es lohnt sich, sich klarzumachen, wie mutig der junge Friedrich Schiller war, so einen Kultur- und Systemangriff zu formulieren. Da ist nichts zufällig. Jeder Angriff und jede Kritik sitzt. Warum zum Beispiel überfällt die Räuberbande ein Kloster? Theoretisch liegt darin auch eine massive Kirchenkritik.“

Die Regisseurin hat sich auch damit beschäftigt, dass Schiller Anthropologe und angehender Arzt war. Seine Doktorarbeit hatte er über den Unterschied zwischen Tier und Mensch geschrieben. 

„Es ist genau jenes Spektrum, was ihn interessiert: ob es möglich sei, den Menschen zu erziehen, ihm ein Koordinatensystem zu bauen, in dem er lernt, seine Triebe und Wünsche, seine Wut und Aggressionen, aber auch seine Sehnsüchte zu kontrollieren und zu steuern.“ 

All das sind Fragen, in die sich Claudia Bossard derzeit hineinbohrt und die „Die Räuber“ neu elektrisieren und schillern lassen.

Für die ausverkaufte Premiere am Freitag gibt es etwaig Restkarten an der Abendkasse, für die Vorstellungen am 26. und 29.12. Tickets.

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