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Winterbottom: Damals in Karatschi

Mit seinem neuen Dokudrama „Ein mutiger Weg“ beschreitet Michael Winterbottom völlig neue Wege - ohne vom alten abzukommen.

Mit fast rasender Geschwindigkeit dreht der Brite Michael Winterbottom Filme, zuletzt vor allem sogenannte politische. Mit „Welcome to Sarajewo“ hatte er 1997 damit begonnen, seinem zwischen Sozialthriller und Liebesmelodram oszillierenden Werk den journalistischen Blick hinzuzufügen – und mit dem aufrührenden Flüchtlingsfilm „In this World“ (Berlinale-Sieger 2003) und zuletzt „The Road to Guantanamo“, der flammenden Solidaritätserklärung für drei Guantanamo-Insassen, wechselte er vom Spielfilm ins Dokudrama. Immer an den Brennpunkten dieser Welt, immer dort, wo es wehtut, und immer mit der Digital-Handkamera: Dies sind die Markenzeichen des Politfilmers Winterbottom.

Nun kehrt er für „Ein mutiger Weg“ zum dritten Mal ins unruhige Pakistan zurück, wechselt dabei allerdings die Seite. Nicht der saturierte Westen ist diesmal der Feind, der die Armutsflüchtlinge anzieht und kaputtmacht; auch nicht Amerika, das Unschuldige abseits des Völkerrechts wegsperrt – sondern Al Qaida. Der Film zeichnet jene Woche im Januar 2002 nach, die auf die Entführung des „Wall Street Journal“-Korrespondenten Daniel Pearl in Karatschi folgte und mit seiner Enthauptung endete. Und er tut es auf exakt jene leidenschaftliche und bevormundende Weise, die schon die beiden Vorgängerfilme auszeichnete.

„Ein mutiger Weg“ gründet auf dem gleichnamigen Buch der Radiojournalistin Mariane Pearl: Sie war im sechsten Monat schwanger, als ihr Mann ermordet wurde. Angelina Jolie spielt Mariane – in der Originalfassung mit feinem französischen Akzent – beeindruckend, aber unterbeschäftigt als kraftvolle Frau, die gegen den keimenden Schrecken immer die Zuversicht zu wahren sucht. Nur zweimal schreit sie herzzerreißend: bei der Todesnachricht und bei der Geburt ihres Sohnes Adam. Diese Szenen und einige sonnige Rückblenden – etwa die Hochzeit mit Daniel (Dan Futterman) – sind die einzige Konzession an die ambivalente Ästhetik des bigger than life. Ansonsten herrscht die Geschäftigkeit von Politikern und Polizisten, Diplomaten, Geheimdienstlern und so fort. Immer näher kommen die Ermittler den Al-QaidaHintermännern, und dann ist nach einem Halbdutzend durchwachter Nächte das Video da, das den Tod Pearls belegt.

Letztes Jahr noch gegen Guantanamo, heute dafür?

Winterbottom zeigt diese Bilder nicht, weder dokumentarisch noch in der Nachstellung; er ist auch klug genug, das Leid des Gefangenen nicht nachzuinszenieren. Immer bleibt er bei der Perspektive des rotierenden Krisenstabs. Sichtbar wird dabei, dass ein paar Monate nach 9/11 die pure US-Staatsbürgerschaft Pearls den Entführern als Mordmotiv genügte; sichtbar aber auch, dass die pakistanischen Behörden vor Folter nicht zurückschrecken. Längst wird hier ein Krieg geführt – von allen Seiten. Darüber hinaus aber bietet „Ein mutiger Weg“, der demnächst auf der Frankfurter Buchmesse – als Literaturverfilmung – ausgezeichnet wird, wenig Erkenntnisgewinn. Im Gegenteil: Eher peitscht er sein Publikum dazu auf, Folter für die gute Sache gutzuheißen. Und darf man den beruhigenden Hinweis, der Mörder Pearls sitze inzwischen in Guantanamo ein, als politische Kehrtwendung verstehen?

Letztes Jahr noch gegen Guantanamo, heute dafür: Das wäre sicher zu kurz gegriffen. Der agile Regisseur kann sich immer elegant auf seinen humanitären Elan zurückziehen. Andererseits fällt auf, wie sehr ihn beim Filmen die bloß dramatisch abschöpfbare Seite aktueller Konflikte, die funkelnde Oberfläche jedweden Ereignisses fasziniert – womit auch er letztlich nur die Abtastreflexe der CNN-Kultur fürs Kino recycelt. Und das ist allerhand, nur nicht politisch.

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