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CITY Lights: Inspiratoren und Inszenatoren

Silvia Hallensleben fahndet nach den Kreativgeistern des Kinos

Martin Suter ist der Filmvorlagenproduzent der Stunde: Nach „Lila Lila“ drängt Anfang Februar schon das nächste Werk nach seinem Drehbuch ins Kino. „Giulias Verschwinden“ hatte der Schweizer Schriftsteller eigentlich für seinen Freund Daniel Schmid geschrieben, den eigenwilligen Film- und Opernregisseur, der im August 2006 mit 64 Jahren in seinem Graubündner Heimatort Flims Waldhaus verstarb. Es war schon das dritte Drehbuchs Suters für Daniel Schmid, der noch bis Ende des Monats mit einer umfassenden Retrospektive im Arsenal geehrt wird. Dazu gehört auch Hors Saison / Zwischensaison (noch einmal am Montag), eine autobiografisch angeregte melancholische Fantasie des Regisseurs aus dem Jahr 1992, die mit Carlos Devesa in der Hauptrolle und vielen zauberhaften Gesangseinlagen von Ingrid Caven als Lilo elegische Szenen aus der untergegangenen Welt eines traditionellen Grand Hotels versammelt. Schmid war selbst Hotelierssohn und hatte als solcher das Privileg, frei zwischen öffentlich repräsentativer Schauseite und der verschachtelt funktionalen Welt von Hintertreppen und Personalkammern zu flottieren. Nur bei abendlichen Festivitäten musste sich der Knabe auf seinem Beobachtungsposten hinter dem Gitter einer Balustrade verstecken.

Auch Drehbuchautoren arbeiten ja – wie viele andere allzu oft unbeachtete Mitarbeiter – ähnlich wie Zimmermädchen und Küchenhilfen auf der unglamourösen, eher verborgenen Seite des Gesamtkunstwerks Film, wo die Treppen steil und die Löhne eher karg sind. Erst ab einem gewissen literarischen Vorruhm kippt das Verhältnis. So dürfte bei dem Animationsklassiker Die Konferenz der Tiere (läuft als Kinderfilm des Monats nachmittags in vielen Kinos, Termine unter kinderkinobuero.de/film_des_monats/film_termine.php) jeder den Namen des Autors Erich Kästner kennen, doch kaum jemand den des Regisseurs und Produzenten Curt Linda, der hier allerdings auch für das Drehbuch mitverantwortlich zeichnete. Dabei ist die sympathisch friedensbewegte – wie man damals noch sagte – Zeichentrickkomödie aus dem Jahr 1969 eher in Distanz zur literarischen Vorlage ein anspielungsreiches filmkünstlerisches Meisterwerk mit zeitlosem visuellem Witz und musikalischem Charme.

Wer ist aber eigentlich Autor eines Dokumentarfilms? Der Filmemacher, der die Kamera aufstellt und Szenen auswählt und meist auch dirigiert? Oder vielleicht doch (oder auch) diejenigen, deren Handeln und Sprechen nachher den Film beim Publikum repräsentiert? Bei Nicolas Philiberts Dokumentarfilm über eine französische Zwergschule Etre et avoir (Sonntagnachmittag im Arsenal) hat diese auch und vor allem in finanzieller Hinsicht bedeutsame Frage bis zum Rechtsstreit geführt, weil der porträtierte Lehrer Georges Lopez nach dem unerwarteten Erfolg des Films am großen Kuchen mitessen wollte. Vor Gericht unterlag er, auch weil er sein Einverständnis zum Drehen gegeben und das angebotene Honorar ausgeschlagen hatte. Natürlich ist dieser Erfolg zum größten Teil der Montagearbeit und den dramaturgischen und konzeptionellen Entscheidungen Philiberts zu verdanken. Abwegig ist die Frage nach einer – vorher zu vereinbarenden – Gewinnbeteiligung aber keineswegs, zum Teil wird sie auch schon praktiziert. Und uns Zuschauer lehrt die Geschichte, dass auch ein scheinbar abgelegenes Dorf in der Auvergne nicht außerhalb dieser Welt ist.

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