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Christian Anders

© promo

Trashfilme: Stiefel, die den Tod bedeuten

Trashfilme werden immer beliebter – zwei Kinos versorgen die Fans. Am Freitag zeigt Christian Anders "Die Brut des Bösen".

Was für ein Abend. In dem kleinen 35-Plätze-Kino in Mitte, versteckt im Hinterzimmer einer Bar, ist gerade ein mexikanischer Wrestler-Monster-Film aus dem Jahr 1970 über die Leinwand geflimmert. In 84 Minuten war nicht nur die Welt vor einem dämonischen Wissenschaftler gerettet und eine Armee bestehend aus Frankenstein, Dracula, der Mumie, dem Zyklopen und einem grün angemalten Zwerg besiegt worden. Nein, man durfte auch noch ungelenke Latinas beim Ringkampf bestaunen und die mexikanischen Helden Santo und Blue Demon bei erbärmlich choreografierten Actionszenen. Geboten wurden wacklige Pappkulissen, grotesk schlechte Schauspielerleistungen, unmotivierte Handlungssprünge und kümmerliche Spezialeffekte. Über lausig zusammengeflickte Plastik- und Stoffmonster war herzhaft gelacht worden, und der haarsträubendste Handlungsunsinn hatte Szenenapplaus bekommen. Am Ende stand die Frage, ob Ed Wood zu Recht als der schlechteste Filmemacher aller Zeiten gilt – oder ob es nicht noch viel, viel Miserableres gibt.

Warum gehen Leute sonntags ins Z-inema oder mittwochs ins Babylon-Mitte, um Filme zu sehen wie „Cannibal Apocalypse“ oder „Stiefel, die den Tod bedeuten“? Wieso zahlen sie Eintritt für „Avanaida – Der Todesbiss der Satansviper“, einen Horrorfilm, dessen Spannungspotenzial mit zwei labbrigen Scheiben Toast zu vergleichen ist? Und was macht Reihen über B-Filmer und vergessene Spaghetti-Western so interessant?

Es gibt viele Namen für diese Art von Filmen, aber keiner trifft ins Schwarze. „Trashfilm“ klingt zu abwertend, denn nicht alles ist Müll. „Kultfilm“ ist zu vage, mittlerweile gilt beinahe jeder Film als kultig, der nicht den gewohnten Marktmustern entspricht. „B-Movie“ ist eigentlich ein historischer Begriff, der den billigen zweiten Film eines Double-Features bezeichnete – außerdem gelten heute B-Movies wie Jacques Tourneurs „Cat People“ zu Recht als Klassiker. Pulp-Filme, Grindhouse-Kino, Mitternachtsfilme? Alles nur halbwegs passend. Am ehesten trifft es noch „Exploitationkino“, aber wer weiß damit schon etwas anzufangen? Philipp Stiasny und Jürgen Dittrich, die Veranstalter der Reihe im Babylon-Mitte, nennen sich selbst deshalb „Freunde des schrägen Films“.

Wenn aber selbst die Filme nicht auf einen Begriff zu bringen sind, wird man schwer einen einzelnen Grund herausgreifen können, warum sich Leute „schräge Filme“ ansehen. Bei manchen Zuschauern spielt sicherlich Nostalgie eine Rolle. Sie haben die Filme als Jugendliche heimlich im Bahnhofskino oder auf Video gesehen und tauchen jetzt im Kino noch einmal in die Vergangenheit ab. Andere treibt die Sammelwut. Mit cinephiler Gefräßigkeit verleiben sie sich Filme aller Art ein – egal woher, von wann und in welcher Qualität. Hauptsache, auf Zelluloid und im Kino. Als weiteres Motiv kommt die Entdeckerlust hinzu, die Neugier auf Abseitiges, Fremdes und Vergessenes. Thomas Wind, der im Z-inema vor allem Filme zeigt, die in Deutschland nicht auf DVD zu erhalten sind, betont: „Es gibt unheimliche Perlen zu entdecken.“ Dazu gehören auch kulturgeschichtliche Skurrilitäten der alten Bundesrepublik wie der Karatefilm „Die Brut des Bösen“ aus dem Jahr 1979, mit dem sich der Schlagersänger Christian Anders („Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“) als deutscher Bruce Lee in Szene zu setzen versuchte.

Thomas Wind vermutet, manche Cineasten würden die Abende im Z-inema als Abwechslung zum harten Brot der Filmkunst verstehen. „Es ist entspannend, einen völlig sinnfreien Film zu sehen.“ Die schrägen Filme lassen eine andere Form des Sehens zu. Sie stellen dem Zuschauer keine interpretatorischen Herausforderungen. Sie verlangen keine erhöhte kognitive Aufmerksamkeit. Und man versinkt auch nicht gebannt in der Welt des Films. Sie erlauben vielmehr eine gelockerte Betrachterposition, die stark auf Interaktion im Kinosaal angelegt ist: ironische Kommentare, höhnische Zwischenrufe, Szenenapplaus, Gelächter. Das Phänomen des „schrägen Films“ funktioniert vor allem als Kollektiverlebnis.

Weil Filme wie „Der Tod trägt schwarzes Leder“ nicht durch ihren Kunstanspruch einschüchtern, fordern sie vom Zuschauer keinen bewundernden Blick nach oben. Das Publikum kann auf den missratenen Film herabsehen, ihn gemeinsam verlachen. Darin steckt eine lustvolle Selbsterhöhung, eine vergnügliche Befreiung von den Zwängen kontemplativer Kunst. Deshalb sind es gerade jene Momente, in denen sich der Film aufplustert und wichtig nimmt, in denen er seine kümmerlichen Attraktionswerte mit großer Geste ausstellt, die mit besonders lauten Reaktionen bedacht werden. Ein unbeholfener Film, der ernst und anspruchsvoll tut? Wie lächerlich. Und wie lustig!

„Freunde des schrägen Films“, mittwochs um 21.30 Uhr im Babylon-Mitte, Rosa-Luxemburg-Str. 30. Infos unter http://www.babylonberlin.de/schraegefilme.htm. Z-inema sonntags um 21 Uhr in der Z-Bar, Bergstr. 2, Infos unter www.z-bar.de. Am Freitag, 29. Januar, zeigt das Z-inema um 21 und 23 Uhr „Die Brut des Bösen“. Regisseur und Hauptdarsteller Christian Anders wird anwesend sein, Moderation: Tagesspiegel-Redakteur Christian Schröder.

Julian Hanich

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