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 Szene aus dem Musical „Hello, Dolly“ am „Musiktheater im Revier“ in Gelsenkirchen.

© Pedro Malinowski

Klassische Entdeckungsreise ins Ruhrgebiet: Die Schwimmoper von Wuppertal

Gelsenkirchen hat mehr zu bieten als die Arena auf Schalke, Wuppertal mehr als die Schwebebahn. Hier, in der westdeutschen Provinz, kann man erleben, wie Kultur für alle geht.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Stand:

Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr Opernhäuser pro Quadratkilometer als hier: In Nordrhein-Westfalen bieten 14 Städte ganzjährig Musiktheater, an Bühnen, die jeweils über eigene Solistenensembles, Chöre und Orchester verfügen. In Aachen, Detmold, Wuppertal, Bielefeld, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Duisburg, Hagen, Köln, Münster, Krefeld-Mönchengladbach und ja, sogar im viel gescholtenen Gelsenkirchen.

Viel zentraler gelegen als die Arena auf Schalke ist dort das „Musiktheater im Revier“. Das Bier ist hier auch billiger - und die Architektur besser. Das 1959 eröffnete Haus verströmt Wiederaufbau-Eleganz, in den Foyers hängen sechs riesige Gemälde des französischen Künstlers Yves Klein. Genau, von dem Yves Klein mit dem unnachahmlichen Blau!

Applaus für die lokale Operettendiva

Neulich haben wir einen Besuch bei den Schwiegereltern genutzt, um mit ihnen in Gelsenkirchen den Musical-Klassiker „Hello, Dolly“ zu sehen. Was war das für eine tolle Stimmung bei dieser Sonntagsnachmittagsvorstellung, der Saal voll mit ganz normalen Menschen, wie man sie hier auch in der Fußgängerzone trifft.

In der Hauptrolle brillierte die lokalen Operettendiva, die seit mehr als drei Jahrzehnten Ensemblemitglied ist, die Inszenierung kam komplett ohne Zynismus und Live-Video aus, sondern erzählte einfach nur die Geschichte, liebevoll, witzig, mit perfektem Timing.

Fast noch mehr berührte mich, was wir tags darauf in Wuppertal entdeckten: Wir wollten uns eigentlich die historische Stadthalle anschauen, die über einen der akustisch besten Konzertsäle Deutschlands verfügt. Doch das Nachbargebäude zog unsere Blicke auf sich, ein ambitionierter Bau aus den 1950er Jahren, dessen Dach sich fast so keck aufschwingt wie beim hauptstädtischen „Haus der Kulturen der Welt“.

Ein neugieriger Blick durch die gigantische Fensterfront zeigt: Das ist ein Hallenbad - und über dem Eingang prangt der Schriftzug „Schwimmoper“! Den Ehrentitel haben die Wuppertaler einst erfunden, weil dieser Planschpalast tatsächlich optisch auftrumpft wie sonst nur die modernen Musentempel. So geht Kultur für alle.

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