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Zwischen Volksbühne und Staatsoper: Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke).

© Carstensen/dpa

Klaus Dörr gewinnt Prozess gegen die „taz“: Im MeToo-Streit an der Volksbühne macht vor allem der Kultursenator eine schlechte Figur

Im Umgang mit Intendanten: Kultursenator Lederer und sein seltsames Krisenmanagement.

Ein bisher wenig beachtetes Urteil aus der vergangenen Woche wirft ein trübes Licht auf die hauptstädtische Kulturpolitik. Klaus Dörr, der frühere Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, hat vor einem Berliner Gericht den Prozess gegen die „taz“ gewonnen. Die Zeitung hatte in einem ebenso langen wie einseitigen Beitrag dem Theatermann unter anderem „Upskirting“ vorgeworfen – eine Straftat.

Dass er Frauen „unter den Rock fotografiert“ habe, war aber laut Landgericht eine nicht hinreichend belegte Verdachtsberichterstattung. Doch die Veröffentlichung in der „taz“ – die jetzt in Berufung geht – führte im März 2021 zu Klaus Dörrs, der den Vorwurf energisch bestreitet und inzwischen Rückhalt von der angeblichen Beschwerdeführerin erhalten hat, erzwungenem Rücktritt innerhalb weniger Tage.

Die Karriere des heute 61-Jährigen, der 2018 an der Volksbühne das Himmelfahrtskommando des Interimsintendanten übernommen hatte, war damit erst einmal beendet. Unschuldsvermutung ist ein hohes Rechtsgut. Bei ihm galt sie nicht. Er soll Frauen „angestarrt“ und unziemlich angesprochen haben. Es gibt keine Beweise. Es wirkt wie Rufmord.

Inzwischen ist bekannt, dass es sich bei den Angriffen auf Dörr um eine Racheaktion aus dem Kreis des „Staub zu Glitzer“-Kollektivs gehandelt hat. Die Aktivistinnen hatten 2017 die Volksbühne eine Woche lang besetzt. Dörr lehnte eine Zusammenarbeit mit ihnen ab. Ihr Ziel war danach sein Sturz.

Die dünnen Verdachtsmomente reichten Klaus Lederer aus

Für Berlins Kultursenator Klaus Lederer – er ist Jurist – reichten diese dünnen Verdachtsmomente aus, um Dörr aus dem Theater zu entfernen. Eine billige Show: Dörr hatte nur noch einen Vertrag bis zur Sommerpause und Übernahme von René Pollesch. Dörr ist ein Theaterarbeiter, zählt eher nicht zur Prominenz. Da konnte sich Lederer mit Gratismut als konsequenter Politiker darstellen, der bei MeToo-Affären unverzüglich durchgreift. Er hat Klaus Dörr fallen lassen und seine Klientel bedient. Und den wirklich hart von MeToo Betroffenen einen Bärendienst erwiesen, wie sich jetzt zeigt.

Das Thema Machtmissbrauch und Machtstrukturen am Theater allgemein wird in der Öffentlichkeit erst seit wenigen Jahren diskutiert. Und es ging weiter im Frühjahr 2021 in Berlin. Der Kultursenator, schon mit Blick auf die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September vergangenen Jahres, musste an den Bühnen Brandherde austreten.

Kaum war Dörr weg, wurden im April 2021 Vorwürfe gegen Shermin Langhoff, die Intendantin des Maxim Gorki Theaters, öffentlich bekannt. Es ging bei Beschwerden aus dem Haus um Mobbing, Übergriffigkeit und ein „toxisches Arbeitsklima“ – besonders brisant an einem Theater, das sich politisch links orientiert, Diversität und antirassistisches Engagement heraushebt. Ein Vorzeigehaus, seit 2013 von Langhoff geführt. Die Probleme sollen intern gelöst worden sein, mit Mediation und Coaching, es kam auch zu einem gerichtlichen Vergleich.

Shermin Langhoff ist durch ihre Prominenz besser geschützt

Langhoff war geschützt durch vielfache Auszeichnungen und Erfolge. Und es gibt nur wenige Intendantinnen am Theater in Berlin. Die Kulturverwaltung legte andere Maßstäbe an als bei Klaus Dörr und der Volksbühne. Und so ist dies auch eine Causa Lederer. Er hat den Theaterleiter, den er selbst berief, als Dienstherr nicht geschützt.

Wie ängstlich der Kultursenator vorgeht, zeigte sich im Frühjahr 2019 an der Staatsoper Unter den Linden, als dort Generalmusikdirektor Daniel Barenboim mit unangenehmen Dingen konfrontiert wurde, eines weltberühmten Maestros offenbar nicht würdig. Auch hier ging es um Schikane und Mobbing, autoritären Führungsstil und ein Klima der Angst. Barenboim entschuldigte sich, er habe niemanden mit Absicht verletzt, sprach aber auch von einer Kampagne gegen ihn. Schließlich stand seine Vertragsverlängerung auf dem Spiel. Es gab Gespräche und Maßnahmen an der Staatsoper mit dem Ziel, bessere Verhältnisse zu schaffen und Probleme auszuräumen. Vor allem aber bekam Barenboim die Verlängerung bis 2027. So lange will der 1942 Geborene GMD Unter den Linden bleiben. Sofern seine Gesundheit es erlaubt, wie er selbst sagt.

Lederer misst mit zweierlei Maß

Lederer wollte gewiss nicht als der Kultursenator in die Geschichte eingehen, der Daniel Barenboim den Laufpass gibt. So hätte es dann wohl ausgesehen. Die Vorwürfe waren hier nicht ausreichend, um einen Weltstar ernsthaft damit zu konfrontieren. Künstlerische Überlegungen, die Führung der Staatskapelle perspektivisch zu verjüngen, gerieten in den Hintergrund. Intendant Matthias Schulz hat nicht verlängert. Der 45-Jährige wird an das Opernhaus Zürich wechseln.

Zum Saisonauftakt bringt die Staatsoper nun einen kompletten neuen „Ring des Nibelungen“, vier Premieren in einer Woche in der Regie von Dmitri Tcherniakov. Daniel Barenboim hat die musikalische Leitung, eine Riesenaufgabe.

Und was folgt aus all den so heiß verhandelten Vorfällen und Skandalen? Nach dem jüngsten Gerichtsurteil mag sich die Causa Dörr in Luft auflösen, freilich bleibt immer etwas hängen. Anklage ist spannender als Rehabilitation. Ob sie Dörr zuteilwird, ist fraglich in dem vorherrschenden Klima.

Der Schaden ist angerichtet – auch an der Volksbühne, wo Lederer alle Geduld dieser Welt bewies, um seinen Wunschkandidaten Pollesch zur Übernahme der Intendanz zu überreden. Klaus Dörr hatte es schwer, auch ohne die heimtückischen Angriffe. Die Produktionen, die er herausbrachte, waren nicht immer überragend. Doch er hatte anständige Publikumszahlen und eine solide Haushaltsführung. Andere könnten jetzt davon lernen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung haben wir durch den Satz: „Dass er Frauen „unter den Rock fotografiert“ habe, war aber frei erfunden“ den Eindruck erweckt, die taz habe den Vorwurf des „Upskirting“ ohne Recherche erfunden. Die taz stellt hierzu zutreffend fest, dass eine anonymisierte Darstellung des Vorwurfs seitens der Agentur Themis gegenüber dem Kulturminister und die Aussage eines angeblichen Zeugen vorlag. Weil das Landgericht dies nicht ausreichen ließ und den Zeugen nicht hörte, hat die taz Berufung eingelegt. Wir haben den Artikel entsprechend angepasst.

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