
© Schaltzeit-Verlag
Klaus Stuttmanns Rückblick auf 2025: „Karikaturisten wie er zeichnen einem das Leben leichter“
Kurz vor Jahresende veröffentlicht Tagesspiegel-Karikaturist Klaus Stuttmann wieder einen neuen Sammelband. Der bringt viele verstörende Entwicklungen auf den Punkt – hilft aber auch bei deren Bewältigung.
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Die Freiheitsstatue ist aus New York geflohen, Horrorfiguren übernehmen die Macht in Washington, Justitia wird von Donald Trump zur Schuhputzerin degradiert. So hat Klaus Stuttmann vor gut einem Jahr die Folgen der US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 in Szene gesetzt.
Der Ausblick des Zeichners war damals von tiefem Pessimismus geprägt – und doch kam manches noch viel schlimmer, als es sich der Karikaturist damals Ende 2024 ausgemalt hat.
Jetzt kann man die seitdem vergangenen zwölf Monate anhand der gesammelten Werke Stuttmanns in seinem gerade in Buchform veröffentlichten Jahresrückblick noch einmal Revue passieren lassen. Und man kann darüber staunen, wie viele einschneidende, durchaus historisch zu nennende Ereignisse in ein Jahr passen.

© Klaus Stuttman für den Tagesspiegel
Das Coverbild des im Berliner Schaltzeit-Verlag publizierten Sammelbandes zeigt den US-Präsidenten, den Stuttmann im Lauf der Jahre mehr als 400 Mal mit dem Stift auf dem digitalen Zeichen-Tablet festgehalten hat. Seit dessen Wiederwahl hat der Zeichner der schon länger mit einem Großmaul im Stil von Dagobert Duck ausgestatteten Figur zusätzlich noch zwei Reihen bedrohliche Haifischzähne spendiert.
In den ersten Monaten von Trumps zweiter Amtszeit scheint die Welt mehr denn je aus den Fugen geraten zu sein. Stuttmann findet, wie so oft, auch dafür eine passende Bildmetapher: Ein großer Globus dreht sich so schnell und unkontrolliert, dass er aus seiner Halterung herauszubrechen scheint und kurz davorsteht, völlig abzudrehen.
Gelenkt wird der Erdball von Trumps prankenartiger Hand, in dessen Sprechblase steht dieser Satz: „Einer muss das ja am Laufen halten.“ Kongenial bringt hier der Zeichner Trumps Größenwahn und sein Selbstbild als Weltenlenker mit den daraus resultierenden Bedrohungen für die Menschheit zusammen. Er verdichtet sie in einem Bild, das so aussagekräftig wie unterhaltsam ist – auch wenn die Pointe hier in Richtung Galgenhumor geht.
Stuttmann lädt sein Publikum dazu ein, die Perspektive zu wechseln, nicht mehr nur das Schwere, Belastende zu sehen, sondern es wegzulachen.
Die Journalistin Miriam Hollstein im Vorwort des Sammelbandes.
Das Titelbild des Stuttmann-Buchs ist die überarbeitete Fassung einer Karikatur, die erstmals im Februar 2025 im Tagesspiegel und anderen von dem Zeichner bedienten Medien veröffentlicht wurde.
Beim Betrachten fällt ein interessantes Detail ins Auge: Damals, kurz nach Trumps Amtsantritt, hatte der Karikaturist den sich wild drehenden Globus so gezeichnet, dass der wenigstens an einer Stelle noch mit seiner Halterung verbunden war. In der überarbeiteten Fassung dreht der Erdball jetzt völlig frei, auch die letzte Schraube, die ihm noch Halt gab, ist herausgesprungen und fällt am unteren Bildrand zu Boden.
Ergänzt werden die gesammelten Zeichnungen – wie auch in Stuttmanns vorigen Jahrbüchern – wieder durch launige Zusammenfassungen der jeweiligen monatlichen Nachrichtenlage durch Walther Fekl.
Mit Stuttmann auf die vergangenen zwölf Monate zu schauen, ist für viele seiner Fans ein wiederkehrendes Ritual zum Ende eines jeden Jahres, das verstörend und heilsam zugleich sein kann. In diesem Jahr gilt das ganz besonders. Verstörend, weil seine gesammelten Werke noch einmal vor Augen führen, wie viele beunruhigende Entwicklungen es 2025 gab. Von der Verwandlung der USA in eine Autokratie über Putins Expansionskurs und den Überlebenskampf der Ukraine über das Massensterben im Gazastreifen, den Absturz der einstigen Volksparteien SPD und CDU und den Stolperkurs der Merz-Regierung bis hin zum internationalen Vormarsch rechtsextremer Parteien und der zunehmend lebensbedrohlichen Erderwärmung.

© Kitty Kleist Heinrich Tsp
Doch Stuttmann wäre nicht Stuttmann, wenn er nicht all diesen beängstigenden Entwicklungen immer wieder originelle visuelle Ideen und überraschende Pointen entlocken könnte, die seinem Publikum ein wenig bei der Bewältigung helfen.
„Stuttmann lädt sein Publikum dazu ein, die Perspektive zu wechseln, nicht mehr nur das Schwere, Belastende zu sehen, sondern es wegzulachen“, schreibt die Journalistin Miriam Hollstein im Vorwort des Sammelbandes. Der inzwischen 76-jährige Zeichner habe über all die Jahre „von seinem Gespür für politische Trends und seinem treffend-bissigen Humor nichts verloren“.
Vieles, was Stuttmann im vergangenen Jahr gezeichnet hat, erweist sich im Rückblick als zeitlos, teilweise fast visionär. Zum Beispiel zwei Karikaturen zu Trumps Politik gegenüber Putin und der Ukraine aus dem März und April dieses Jahres. Auf einer sieht man den US-Präsidenten, wie er am Telefon im Oval Office des Weißen Hauses unterwürfig und wortreich einem Gesprächspartner zustimmt, dazu die Bildunterschrift: „Sein Deal mit Putin“.

© Klaus Stuttmann für den Tagesspiegel
Kurz darauf zeichnete Stuttmann Trump erneut im Oval Office, wie er stolz einen „Ukraine-Friedensplan“ als sein Werk präsentiert. In die Sprechblase hat der Zeichner dem Präsidenten diesen Satz geschrieben: „Sorry, hat etwas gedauert. Mussten uns das erst noch aus dem Russischen übersetzen lassen!“
Das ließe sich auch gut ein halbes Jahr später auf die aktuellen Entwicklungen der vergangenen Tage bezüglich eines „Friedensplans“ der USA beziehen, dessen erster Entwurf offensichtlich die Handschrift des Kremls trug.
Immer wieder gelinge es Klaus Stuttmann, so Miriam Hollstein in ihrem Vorwort, „Floskeln und politisches Theater zeichnerisch zu entlarven – und dabei dennoch etwas Raum für Hoffnung zu lassen“. In Zeiten wie diesen sei es besonders wichtig, dass es Karikaturisten wie ihn gebe: „Sie zeichnen einem das Leben leichter.“
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