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Kultur: "Klavier um vier": Polternachmittag

Um Modest Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" balgen sich Pianisten, Veranstalter wie Zuhörer, denn dieser wohl meist gespielte Zyklus der Klaviergeschichte verfehlt seine Wirkung nie. So auch nicht bei Andreas Haefliger im Kammermusiksaal der Philharmonie, bei "Klavier um vier".

Um Modest Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" balgen sich Pianisten, Veranstalter wie Zuhörer, denn dieser wohl meist gespielte Zyklus der Klaviergeschichte verfehlt seine Wirkung nie. So auch nicht bei Andreas Haefliger im Kammermusiksaal der Philharmonie, bei "Klavier um vier". Glänzend kann der junge Schweizer Pianist seine an der New Yorker Juilliard School geschliffene Technik demonstrieren, schon die erste "Promenade" ist ein Kraftausbruch, es prasseln die Oktaven, es brechen die massigen Akkorde der "Baba Yaga" oder im "Großen Tor von Kiew" nur so hernieder. Da sitzt förmlich jeder einzelne dieser schrecklich schweren Sprünge.

Aber irgendwie verwandelt sich hier Intensität in bloße Lautstärke, geht die Seele der Musik unter dem Effekt mehr und mehr verloren. Der "Bydlo" gebärdet sich als pure Kampfmaschine und der "Gnom" als zähnefletschendes Ungeheuer; freudlos spielen die "Kinder in den Tuillerien"; aggressiv picken die "Küchlein in ihren Eierschalen", grell blendet das Licht der "Katakomben". Vielleicht ist das ja so im Zeitalter von BSE und "Körperwelten". Ein Bekenntnis dagegen freilich, eines, was auf schönen Klang oder auf persönlichen Ton setzte, entsteht so zuallerletzt.

Dabei ist Haefliger eigentlich kein Drauflos-Donnerer. Er hat durchaus Sinn für Kantilenen (vom Vater, dem berühmten Tenor geerbt?), für Spannungsbögen und Markierungspunkte. Dass er über Piano-Nuancen verfügt, war in den beiden weniger bejubelten Schumann-Zyklen vor der Pause berückend zu erfahren: Intime Episoden, melancholische Schatten gaben hier der Polonaisenherrlichkeit der "Papillons" den nötigen doppelten Boden.

Wenn die Turmuhr mit silbrigem Schlag den Spuk des Maskenfestes verscheucht, durchdringen sich vielschichtig die einzelnen Motive. In den "Davidsbündlertänzen" hingegen, die Schumanns poetische Doppelgängernatur als Florestan und Eusebius plastisch ausprägen, zeigt Haefliger sich wieder verführbar, rast, poltert - und opfert so manche Mittelstimme dem Pedal. Dass es anders geht, zeigen skurrile Sprünge "mit Humor", die dann in den massiven Akkorden des "Wild und lustig" ganz prickelnd klar bleiben. Doch am allerschönsten träumt an diesem Winternachmittag Eusebius: "zart und singend", in vielfarbigem Stimmgeflecht, "mit äußerst starker Empfindung" dem eigenen Arpeggienklang nachhorchend.

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