Hör BÜCHER: Kleine Reiseapotheke
Alles fertig? Falls Sie tatsächlich schon auf gepackten Koffern sitzen und Sie auf der Checkliste für Ihren Urlaub bereits diverse Mittelchen gegen Magen-Darm-Infektionen, Sonnenstich, Platz- und Schürfwunden abgehakt haben, erlaube ich mir nachzufragen: Ist denn auch was für die Ohren mit dabei?
Alles fertig? Falls Sie tatsächlich schon auf gepackten Koffern sitzen und Sie auf der Checkliste für Ihren Urlaub bereits diverse Mittelchen gegen Magen-Darm-Infektionen, Sonnenstich, Platz- und Schürfwunden abgehakt haben, erlaube ich mir nachzufragen: Ist denn auch was für die Ohren mit dabei? Nein? Da könnte ich ein kleines Notfallpaket empfehlen, diesmal speziell für Ostseereisende, die sich neben den üblichen Strandvergnügungen auch ein wenig für das baltische Hinterland interessieren.
Aus Finnland kommt Arto Paasilinnas Hörspiel „Adams Pech, die Welt zu retten“ (Lübbe Audio, 2011). Die Buchvorlage für diese flotte WDR-Produktion stammt aus dem Jahre 1993, sie könnte aktueller nicht sein: Aatami (Adam) Rytmättylä hat einen ultraleichten Akku erfunden, der Strom im Überfluss speichern und liefern kann. So kurven durch dieses Hörspiel, als folgte der Autor einer Initiative der Bundesregierung, schon massenhaft lautlose Elektroautos. Während heute, in Zeiten des Atomausstiegs, überall nach klimaneutralen Energiealternativen gefahndet wird, hat dieser clevere Erfinder aus der finnischen Provinz alle anstehenden Probleme bereits gelöst. Doch damit beginnt erst das Problem! Die gemeinsam mit seiner trunksüchtigen Anwältin Eeva gegründete Akku-Firma gerät ins Visier schleierhafter Ölmultis. Man setzt Luigi aus Palermo auf ihn an, einen erfahrenen Mafiakiller. Der verfolgt Adam hinauf ins tief verschneite Lappland und bis weit, weit hinten nach Sibirien - schließlich sogar bis ins Weltall… Diese hanebüchene Geschichte sich wild überstürzender Ereignisse wird immer dann besonders schön, wenn ein finnischer Frauenchor das turbulente Geschehen für einen Moment unterbricht. Da juckt es einen, wieder mal nach Finnland zu fahren. Oder ist das vielleicht nur die sirrende Erinnerung an blutrünstige finnische Mückenschwärme, die einen da juckt?
Ebenfalls aus Finnland kommt Salah Naouras federleichte Sommergeschichte „Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums“ (Hörcompany Hamburg, 2011). Martin Baltscheit findet genau den passenden Ton: Er liest diese Kindergeschichte so, als hätte ihn die Lehrerin aufgerufen, und er müsste vor versammelter Klasse vortragen, was ihm zum Schulaufsatzthema „Mein schönstes Ferienerlebnis“ eingefallen ist. Weil er das sehr unterhaltsam und spannend macht, und weil man hier endlich mal erfährt, was die drei größten universalen Fehler sind, steht diese Produktion in meiner Empfehlungsliste auf Platz zwei.
Die Sammlung literarisch-musikalischer Streifzüge aus dem Hause des führenden sächsischen Reiseunternehmens in Sachen Hörbuch wird mit „Fischland Darß“ (Goldmund Hörbücher, 2011) komplettiert, meine dritte Empfehlung. In bewährter Weise hat Frank Fröhlich Texte zusammengestellt und umspielt sie auf seine fröhliche Weise.
Anfangs stutzte ich: Wie, darf man denn solch ein Stück tatsächlich mit Meeresrauschen beginnen lassen? Werden damit nicht elementarste Pawlow’sche Reflexe bedient? Ich wollte schon beide Ohren fest zudrücken, da merkte ich: Das geht in Ordnung so. Dieser Meeres-O-Ton ist ja Erich Frieds Gedicht „Meer“ unterlegt. Nach diversen, wie am Strand aufgelesenen und unbedingt aufhebenswerten literarischen Fundstücken von Fallada, Heine, Joseph Roth und Elisabeth Shaw, die von Gunter Schoß mehr erzählt als vorgelesen werden, gibt es am Ende noch einmal Frieds Gedicht. Da im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden kann, dass man am Strand immer eine komplette Fried-Ausgabe zur Hand hat, gibt der Schluss dieses Gedichts (und des Hörbuchs) uns ein Rätsel auf. „… wenn man den Sand sägen hört / und das Schlurfen der kleinen Steine / in langen Wellen / soll man aufhören zu sollen / und nichts mehr wollen wollen / nur…“ Tja, was nur? Man kann jetzt den lieben langen Tag im Strandkorb grübeln, ob die letzte Zeile „nur Meer“ oder „nur mehr“ heißen soll. Das Hörbuch verrät es uns nicht.