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Blick ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt

© IMAGO/Funke Foto Services

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 21): Ein Hoch auf das Publikum

Sie sind treu und sie sind neugierig: Die Besucher und Besucherinnen der Berliner Konzertsäle und Opernhäuser müsste man eigentlich mit Preisen überhäufen.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Stand:

Seit sechs Jahren vergibt das Klassikmagazin „Concerti“ die Auszeichnung „Publikum des Jahres“. Wettbewerbe für Künstlerinnen und Künstler gibt es unendlich viele, wenn es dagegen um die Menschen geht, die jenseits der Bühne sitzen, ist dieser Preis tatsächlich einmalig.

Das Publikum des Staatstheaters Meinigen hat diesmal das Rennen gemacht, in den Vorjahren waren es die Besucher:innen der Duisburger Philharmoniker, der Weilburger Schlossfestspiele, der Bamberger Symphoniker, der Dresdner Philharmonie und des Sinfonieorchesters vom Hessischen Rundfunk.

Niedrigschwelliger Zugang

Der Preis ist eben auch als Feier der föderalen Vielfalt gedacht, er will den Blick auf die weltweit einmalige deutsche Opern- und Orchesterlandschaft lenken. Und die kann man nicht oft genug hochleben lassen – denn sie garantiert, dass Konzerte und Musiktheater nicht nur in den Großstädten, sondern auch in der Fläche selbstverständliche Grundversorgung sind. Nirgendwo ist der Zugang zur Klassik so niedrigschwellig.

Das Berliner Publikum übrigens hätte den Preis natürlich auch verdient – und zwar alljährlich. Denn in allen vier Kategorien, nach denen die „Concerti“-Jury entscheidet, schneiden die hauptstädtischen Klassikfans mit Bestnoten ab. Nummer ein: Treue. Die wird hier gelebt, viele halten ebenso unverbrüchlich zu ihrem Orchester oder Opernhaus wie Fußballverrückte zu ihrem Verein.

Nummer zwei: Begeisterung. Die schlägt hier stets hohe Wellen. Wie enttäuscht war ich während meines Studienjahrs in Mailand von der Applausfaulheit der Scala-Besucher, wie entnervt später vom Snobismus des Pariser Publikums. Bei uns wird hemmungslos gejubelt, Berlin hält weiterhin den Guinnessbuch-Rekord im Dauerklatschen (aufgestellt 1988 an der Deutschen Oper bei einem Pavarotti-Abend: 67 Minuten!).   

Nummer drei: Aktivitäten. Die Berliner Symphoniker haben einst mit der Jugendarbeit angefangen, Sir Simon Rattle brachte das Konzept der Education von der britischen Insel mit, heute zeigen sich alle sieben Orchester und drei Opernhäuser grenzenlos kreativ, wenn es um die Einbeziehung der gesamten Stadtgesellschaft geht. Und, last but not least: Publikumsstruktur. Allein schon die Tatsache, dass es bei uns schon lange keine verbindlichen Dresscodes mehr gibt, sorgt für bunteste Vielfalt in den Foyers. Ums Sehen und Gesehen-Werden mag es bei den Nobelfestivals gehen oder in München. In Berlin kommen die Leute tatsächlich der Musik wegen. Bravo!

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