zum Hauptinhalt
Kabellose Kopfhörer und  Streamingdienste machen es möglichen: Musik ist immer dabei

© dpa/Kay Nietfeld

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 45): Fortschritt ist möglich

Es ist noch gar nicht so lange her, da war es mit einigem Aufwand verbunden, wenn man Musikkonserven hören wollte. Inzwischen geht das immer und überall. Wie großartig!

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Stand:

„Musik ist völlig formlos“, schreibt mir ein Freund. „Musik kann ich immer und überall hören, ich kann mich auf sie konzentrieren und bin dabei trotzdem keinen körperlichen Zwängen unterworfen.“ Was er damit meint: Lese ich ein Buch, sind die Augen auf die Seiten fixiert, während die Hände den Band halten müssen. Will ich Gemälde, Skulpturen und Installationen sehen, muss ich mich dorthin begeben, wo sie ausgestellt werden.

Musik aber, die flüchtigste der Künste, kann als Klangkonserve an mein Ohr dringen, während ich durch den Wald laufe oder durch eine belebte Straße. Die tönende Luft umfängt mich und lässt mir dennoch alle Bewegungsfreiheiten.

Ohne Platten und CDs ging nichts

Das ist natürlich eine Perspektive, die zum einen das Vergnügen ausblendet, Konzerte oder Opernaufführungen live in extra dafür errichteten Sälen zu erleben. Und die zum anderen eine Freiheit feiert, die es erst seit einigen Jahren gibt. Seit es möglich ist, über Streamingdienste auf eine unübersehbare Fülle von Musikangeboten zuzugreifen – und die dann über kabellose Kopfhörer anzuhören.

Der Freund, der so schwärmt von der potenziellen Allgegenwart klassischer Klänge, ist jung. Wir Älteren erinnern uns gut an die Zeiten, als der Weg zum akustischen Glückserlebnis steiniger war. Man brauchte einen Plattenspieler, später einen CD-Player, eine Stereoanlage mit guten Boxen – und natürlich die physischen Tonträger, die gekauft werden mussten oder ausgeliehen.

In der Musikbücherei Steglitz, in der ich als Teenager Stammgast war, wachten strenge Bibliothekarinnen über die Vinylschätze. Bei der Rückgabe wurde der Zustand der Platte mit der Karteikarte abgeglichen, auf der die Kratzer verzeichnet waren, die andere Nutzer zuvor verursacht hatten.

Um wie viel einfacher ist es heute: Jede und jeder kann sich, ortsunabhängig, mit ein paar Klicks die unendlichen Welten von Bach, Beethoven, Brahms und Co. erschließen. Um dann auf eigene Faust Entdeckungsreisen zu machen oder sich von freundlichen Algorithmen leiten zu lassen. Aus der Cloud übers Ohr ins Herz und Hirn: Nie war Klassik so barrierefrei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })