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Extrabreit spielten ihr Weihnachtskonzert auch in der heimischen Stadthalle in Hagen.

© IMAGO/Markus Klümper

Konzert von Extrabreit im Lido: Längst nicht mehr nur auf der Spaßwelle

Die „Hurra, Hurra, die Schule brennt“-Band Extrabreit spielt im Club Lido vor ausverkauftem Haus. Und zwar guten, klamaukfreien Postpunk.

Stand:

Ehemalige Stars der Anfang der Achtziger ungemein populären sogenannten Neuen Deutschen Welle (NDW) haben es gerade nicht so leicht. Derzeit gibt es ein Revival der Neunziger und die Wiederkehr der Achtziger ist schon wieder vorbei, was sich auch daran zeigt, dass wirklich niemand mehr „Last Christmas“ hören möchte und Boris Becker nur noch der Promi ist, der mal im Knast saß.

Das Quietschebunte und die Dauerironie der NDW passt nicht so gut zur aktuell eher gedämpften allgemeinen Stimmung. Angesichts eines Krieges mitten in Europa und generell bedrückender Weltlage wirkt der Wunsch „Ich will Spaß“, den NDW-Sternchen Markus einst in seinem größten Hit formulierte, leicht deplatziert.

Extrabreit gelingt es, in Würde zu altern

In irgendeinem Wurmloch aber ist es der als Protagonisten der NDW bekannten Band Extrabreit aus dem westfälischen Hagen gelungen, dennoch in Würde fortzubestehen. Nicht als reine Spaßcombo, die bei trostlosen Nostalgie-Events immer nur ihren größten Hit aufführen darf, nämlich „Hurra, Hurra, die Schule brennt“, der heute immer noch bei jeder Abifeier zu hören ist. Sondern als Deutschpunkband, die es geschafft hat, sich eine treue Fanbasis aufzubauen und das verbunden mit der Message, nicht wegen der NDW, sondern eher trotz dieser zum Dauerbrenner geworden zu sein.

Extrabreit beim Konzert in Hagen.

© IMAGO/Markus Klümper

Dass von der Überdrehtheit der 1982-Version von Extrabreit bei ihrem schon seit Wochen ausverkauften Konzert im Rahmen ihrer aktuellen Weihnachtstournee im Kreuzberger Club Lido nichts übrig geblieben ist, mag natürlich auch eine Frage des Alters sein. Die Tanzbewegungen von damals kriegt der langsam auf die 70 zugehende Sänger der Band Kai Havaii nicht mehr hin. Aber so richtig zum Tanzen ist die Musik größtenteils auch gar nicht, eigentlich mit bestimmten Ausnahmen nie gewesen.

Von jamaikanischem Dub beeinflusst

Man stellt das bei dem Auftritt von Extrabreit besonders gut fest, als sie einen anderen ihrer alten Hits zum Besten gibt, „Polizisten“, mit seiner bedrohlichen Textzeile „Tag und Nacht wird sie bei dir sein – die Polizei“. Das Stück ist ziemlich schleppend und ganz offensichtlich sogar von jamaikanischem Dub beeinflusst.

In jeder Sekunde des Songs wird vermittelt, dass man es hier nicht mit einem Witz in guter alter NDW-Tradition zu tun hat, sondern mit ernstzunehmender Musik, angelehnt an britischen Postpunk, versehen mit Textbotschaften zum Grübeln über die Dystopie eines Polizeistaates. Ein wenig lustig wirkt der Vortrag des Songs nur, weil das Publikum mit großer Leidenschaft die letzten beiden Vokale in dem Wörtchen „Polizei“ zu einem endlosen „Eieieieiei“ zerdehnt.

Extrabreit, die bereits 1978 gegründet wurden, gab es bereits vor den Hochzeiten der NDW und nach den frühen Erfolgen hatten sie auch noch in den Neunzigern Hits. Sie nahmen sogar Stücke zusammen mit Harald Juhnke, Marianne Rosenberg und Hildegard Knef auf.

Und Ihr Sänger schreibt inzwischen von der Kritik gelobte Romane. Sie sind kein bloßes Zeitgeistphänomen von gestern, sondern eine Band, die mehr verkörpert als fünf Minuten längst vergessenen Ruhm. Ihre Fans, die so zahlreich zu diesem nachweihnachtlichen Konzert gekommen sind, wissen das bereits. Nun hat man es selbst auch kapiert.

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