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Kultur: Kunst am Zaun

Ein Ausflug nach

Stand:

von Daniel Völzke

Man kennt das: Die Mächtigen sitzen in Konferenzräumen und verhandeln über das Schicksal der Welt. Hinter ihnen hängt Gegenwartskunst in wildem Gestus, der die Entschlossenheit der Runde unterstreicht. Im Sommer treffen sich die Allermächtigsten, die Regierenden der G 8-Länder, in Heiligendamm. Weiße Wände gibt es genug in der „Weißen Stadt am Meer“, fehlt also nur noch zeitgenössische Kunst. Mit ihrer Initiative „Art goes Heiligendamm“ hat Adrienne Goehler, früher Berlins Kultursenatorin, nun ein Programm mit Künstlern, Installationen, Performances und Vorträgen kuratiert. Gut so! Wäre da nicht der Zaun. Der Bund baut um Heiligendamm eine zwölf Kilometer lange „technische Sperre“. Art goes also doch nicht Heiligendamm.

Goehlers Projekt findet nun im nahen Rostock statt – schließlich wird dort auch viel Welt zu Gast sein: die Welt der Globalisierungsgegner und des Sicherheitspersonals. Das Projekt, so wurde bei der gestrigen Vorstellung in Berlin deutlich, will Fronten aufweichen, besänftigen. Künstler werfen ihre Kunst als Pufferkissen aufs Schlachtfeld: Franz Ackermann, Christian von Borries, Martha Rosler, Katharina Sieverding oder das World Parliament of Clowns. Dem G 8-Trubel begegnen sie mit noch mehr Trubel.

Fehlt nur noch Geld. Ein Antrag bei der Bundeskulturstiftung wurde aus formalen Gründen abgelehnt. Goehler, als ehemalige Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds mit den Förderinstrumenten bestens vertraut, hat sich deshalb überlegt: Der Bund fördert, wenn er baut, Kunst am Bau mit zwei Prozent der Baukosten; was also, wenn man „Art goes Heiligendamm“ zur Kunst am Zaunbau erklärt? Die zwar nicht direkt am Zaun stattfindet, aber seine Symbolik thematisiert? Bei Baukosten von 12,5 Millionen Euro wären das immerhin 250 000 Euro. Ausreichend, meint Goehler und stellt dieser Tage den Antrag beim Verkehrsministerium.

Wäre man bloß schon früher draufgekommen: Kunst am atomaren Zwischenlager Gorleben! An der Frankfurter Startbahn West! Am Pershing-II-Depot! So viel deutsche Protestkultur – perdu.

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