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Kunst aus dem Baltikum: Das Neueste von nebenan
Das Litauische Kulturinstitut gibt mit „* as a Journal“ ein anregendes Magazin heraus - quer durch alle Künste und Wissensdisziplinen.
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Viele Wege führen nach Vilnius und Kaunas, doch noch mehr führen von Litauen hinaus in die Welt. Auch das größte der drei baltischen Länder ist mit knapp drei Millionen Einwohnern zu klein, als dass es all seinen Künstlern, Musikern und Architekten Lohn und Brot bieten könnte. Wie bei den lettischen und estnischen Nachbarn herrscht ein Braindrain, der sich mit einem Magnetismus der intellektuellen Zentren paart. Neringa Černiauskaitė zum Beispiel, die 1984 in Klaipeda geborene Gastherausgeberin von „* as a Journal“, dessen Asterisk diesmal das Wort „Body“ ersetzt, hat am Bard College in Upstate New York Kuratieren studiert. Sie lebt in Berlin und bildet zusammen mit Ugnius Gelguda das Künstlerduo Pakui Hardware, das Litauen bei der Biennale von Venedig 2024 vertritt.
Was dort zu erwarten ist, lässt der umfangreichste Beitrag des seit 2021 zweimal jährlich auf Englisch erscheinenden Magazins des Litauischen Kulturinstituts (www.asajournal.lt, Einzelheft 15 €, ältere Ausgaben gratis als PDF) ahnen. Während in Venedig die absonderlichen Operationstische von Pakui Hardware mit den Gemälden der Modernistin Marija Teresė Rožanskaitė (1933-2007) in einer Installation zusammengeführt werden sollen, erscheint die gemeinsame Vision von der medizinischen Durchleuchtung und Zerlegbarkeit des menschlichen Körpers hier noch in ihren Einzelteilen.
Der Körper, wie ihn „Body as a Journal“ zum Thema macht, ist ein schwer umkämpftes biopolitisches Gebiet. Virgilijus Šonta (1952-1992), der die Fotografien, auf denen er sein homosexuelles Begehren dokumentierte, unter Verschluss hielt, weil sie mit der sowjetischen Moral seiner Zeit kollidierten, wusste davon ein ebenso kämpferisches Lied zu singen, wie es im Gespräch mit Agnė Bagdžiūnaitės nun die amerikanische Ärztin Rupa Marya tut: Sie stellt ihr antipatriarchales, antikoloniales und antirassistisches Konzept einer „Deep Medicine“ vor
„Soundscapes as a Journal“, die Ausgabe zuvor (nach „Forest“ und „Cosmos“), widmet sich der Musik. Ein junger Klangkünstler wie Arturas Bumšteinas, der 2017 ein Jahr als DAAD-Stipendiat in Berlin verbrachte, mag seine internationalen Chancen auf noch ausbauen. Litauens bedeutendstem Komponist der letzten Jahrzehnte, dem 2021 verstorbenen Bronius Kutavičius, in seiner Unbeugsamkeit auch eine politische Symbolfigur, muss man sie erst wieder verschaffen. „* as a Journal“ liefert da auf vielen Gebieten wertvolle Beiträge zur europäischen Wahrnehmungsgerechtigkeit.
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