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Verdeckt. Das gläserne Kernstück der umstrittenen Säule vom Künstlerkollektiv „Zentrum für politische Schönheit“.

© Paul Zinken/ picture alliance/ dpa

Kunstaktion vom „Zentrum für politische Schönheit“: Umstrittene Installation bildet keine Störung der Totenruhe

Das Ausstellen der Asche von Holocaust-Opfern ist nach Einschätzung eines Rechtsexperten keine Störung der Totenruhe. Die Kritik an der Aktion hält an.

Die jüngste Aktion des Künstlerkollektivs „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) stellt nach Einschätzung des Strafrechtsexperten Milan Kuhli keine Störung der Totenruhe dar. Die für ihre umstrittenen Aktionen bekannte Gruppe hatte am Montag in Sichtweite des Reichstagsgebäudes eine sogenannte Gedenkstätte errichtet. Teil davon ist eine Stahlsäule, die nach Angaben des ZPS Asche von Opfern des Nazi-Regimes enthält.

Der Vorwurf der Störung der Totenruhe war in den vergangenen Tagen von mehreren Seiten erhoben worden. Diese gilt als Straftatbestand. Voraussetzung dafür sei, dass der Täter den Körper eines verstorbenen Menschen oder dessen Asche entweder „aus dem Gewahrsam des Berechtigten“, also etwa der Friedhofsverwaltung, entwendet oder daran „beschimpfenden Unfug verübt“, wie Kuhli am Donnerstag erläuterte. Er ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Hamburg.

Auch wenn zutreffen sollte, dass die Stele die Asche von Opfern der von den Nazis verübten Massenmorde enthalte, sei der Straftatbestand der Störung der Totenruhe nicht erfüllt, sagte Kuhli. Da nicht bekannt sei, unter welchen Umständen das ZPS an die Asche gelangt sei, sei eine „Wegnahme aus dem Gewahrsam des Berechtigten“ zum jetzigen Zeitpunkt nicht beweisbar. Auch als „beschimpfender Unfug“ sei der Fall nicht zu werten, da die Verstorbenen nicht absichtlich erniedrigt würden.

Nach Einschätzung des Berliner Historikers Prof. Arnd Bauerkämper ist es Aufgabe von Museen und Gedenkstätten auch darzustellen, wie die Leichen der Opfer nationalsozialistischer Massenmorde beseitigt wurden. „Dass man auf das Thema aufmerksam machen sollte, ist völlig richtig. Man kann das in Ausstellungen einbauen oder an Gedenkorten deutlicher darauf aufmerksam machen“, sagte Bauerkämper, der an der Freien Universität Berlin lehrt. Die „Gedenkstätten-Aktion“ des ZPS habe aber eine Grenze überschritten und die falschen Mittel gewählt.

Das ZPS hatte zum Start der Aktion in einer Mitteilung erklärt: „So unglaublich es klingt: 74 Jahre nach den Massenmorden der Nationalsozialisten liegen die Überreste der Opfer immer noch überall herum.“ Und weiter: „An 23 Orten in Deutschland, Polen und der Ukraine wurden über 200 Proben entnommen. Laboruntersuchungen ergaben in über 70 Prozent Hinweise auf menschliche Überreste.“ Nach heftiger Kritik entschuldigte sich die Gruppe am Mittwoch für die Aktion und verhüllte das Kernstück der Stahlsäule.

Es sei bekannt, dass Asche verbrannter Leichen von Holocaustopfern verstreut wurde. „Das historische Phänomen gab es“, erklärte Bauerkämper. „Ab 1942 sollten die Leichen der Opfer schnell beseitigt werden, sie wurden verbrannt und die Asche beseitigt. Es kann also durchaus sein, dass es in der Umgebung der ehemaligen Lager noch Asche gibt.“

Als die Wehrmacht 1943 in die Defensive geraten sei, sollten vor allem Spuren beseitigt werden, so der Historiker. „In Massengräbern in den und in der Nähe von Vernichtungslagern bestattete Leichen wurden ausgegraben und verbrannt - auch die Leichen der Opfer, die die Einsatzgruppen schon 1941 hinter der Front in der Sowjetunion erschossen hatten.“ Auch in diesen Fällen sei die Asche verstreut, zum Teil auch in Flüsse geschüttet worden. (dpa/bb)

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