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Lauryn Hill live in Berlin: Die Diva, ihr Sohn und ein treuer Fugee
Zur Feier ihres Debütalbums „The Miseducation of Lauryn Hill“ kam die Sängerin mit großer Band in die Uber Arena. Mit Wyclef Jean sang sie zudem Fugees-Hits.
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Die Leute sagten: Denk an deine Karriere, benutz deinen Verstand. Doch die unerwartet schwangere Lauryn Hill, die damals gerade mit den Fugees berühmt geworden war, hörte auf ihr Herz, bekam das Kind und schrieb einen Song über die Ratschläge, die ihr als 22-Jährige erteilt worden waren.
Nach ihrem erstgeborenen Sohn heißt er „To Zion“, und 27 Jahre später singt sie ihn in der Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof mit so viel Liebe und Leidenschaft, als wolle sie die damalige Entscheidung noch einmal gegen alle Welt verteidigen.
Anschließend kommt Zion Marley selbst auf die Bühne und beschwört mit zwei eigenen Songs und einem Cover seines Großvaters Bob Marley dessen Geist. In einer dicken Winterjacke, die Augen fast die ganze Zeit geschlossen, macht er seine Sache passabel und wird danach von seiner Mutter, die Backstage gewartet hatte, fest gedrückt. Eigentlich war mit YG Marley noch ein weiteres von Lauryn Hills sechs Kindern für das Konzert angekündigt. Doch „er kann heute Abend nicht hier sein“, wie die Sängerin gegen Ende schmallippig bekannt gibt.
Vermisst wird er kaum in der Arena, deren Oberrang abgehängt ist. Schließlich geht es heute darum, Lauryn Hills Solodebüt „The Miseducation of Lauryn Hill“ zu feiern. Es erschien 1998, etwa ein Jahr nach Zion Marleys Geburt, verkaufte sich über 20 Millionen Mal, gewann fünf Grammys und ist in seiner eleganten Mischung aus Soul, Rap und Reggae-Elementen ein moderner Klassiker. Was Lauryn Hill, die mit zweistündiger Verspätung ins Konzert startet, gleich mit dem Eröffnungsstück „Everything Is Everything“ eindrucksvoll demonstriert. Für den Rap-Part wirft sie ihren braunen Mantel ab, kommt in Oversize-Anzug und Schlips an die Bühnenkante und feuert ihre Zeilen eindringlich in die Menge.
Die Sängerin ist gut bei Stimme
Ihre 13-köpfige Band agiert während der zweistündigen Show meist auf Hochdruck-Level, wobei vieles unnötig krachig und überladen gerät. Glücklicherweise ist die Band aber weit entfernt von dem desaströsen Rock-Inferno, das 2012 beim Lauryn-Hill-Konzert im Tempodrom entfacht wurde. Im häufig verschwimmenden Sound sind die drei Background-Sängerinnen leider zu selten deutlich zu hören. Zu viel hingegen sieht man den von Hill nie vorgestellten Bandkollegen, der sich immer wieder rappend und „Hey“ oder „Yo yo“ skandierend neben sie gesellt.
Das wirkt überflüssig, da Lauryn Hill gut bei Stimme ist. Als sie zum ersten Mal „Ex-Factor“ singt – endlich mal ohne den aufgedrehten Mützenmann – wird ihr Strahlen bis unters Hallendach spürbar. Bei der nur von einem Piano und Schnipsen begleiteten Reprise sogar noch stärker. Um so mehr drängt sich dabei aber auch die Frage auf, warum die Musikerin aus New Jersey nie ein zweites Studioalbum aufgenommen und ihre Karriere einen derart irrlichternden Verlauf genommen hat.
Aktuell sieht sie sich mit einer Klage ihres Fugees-Bandkollegen Pras Michél gegenüber, der ihr Betrug und Vertragsbruch vorwirft. Sie habe bei der vorzeitig beendeten Fugees-Tour im vergangenen Jahr Geld abgezweigt und ihr Missmanagement zu Konzertabsagen in diesem Jahr geführt, heißt es in der Klageschrift. Hill weist das zurück – und tourt unbeeindruckt unter dem Fugees-Banner weiter durch die Welt.
Wyclef Jean spielt mit dem Mund Gitarre
Mit Wyclef Jean hat sie ja immerhin ein weiteres Mitglied des Trios an ihrer Seite. In Berlin kommt der Musiker nach einer Stunde mit einer weißen Fender-Gitarre und schwarzem Outfit auf die Bühne. Eine muskulöse Version von „How Many Mics“ versetzt dem Abend einen weiteren Adrenalinstoß.
Beim „No Woman No Cry“-Cover – Hill verlässt die Bühne – wird deutlich, dass Wyclef Jeans Stimme in den vergangenen Jahrzehnten etwas rauer geworden ist. Um so dynamischer performt der 55-Jährige, der kürzlich schon als Support von Janet Jackson in derselben Arena aufgetreten ist: Er spielt seine Gitarre mal hinter dem Kopf, mal mit dem Mund, springt herum, wedelt mit den Armen – und kommt mit seiner Version von Carlos Santanas „Maria Maria“, die er in „Guantanamera“ übergehen lässt, dann doch etwas vom Weg ab.
Lauryn Hill preist ihn bei ihrer Rückkehr als Master, bevor sie „Killing Me Softly“ anstimmt. Das Stück wird von den Fans begeistert aufgenommen, sie singen und filmen mit beim wohl bekanntesten Fugees-Cover. Zum Finale gibt’s die Originale „Ready Or Not“ und „Fu-Gee-La“, bei denen es Hill und Jean mit der kraftvoll vorpreschenden Band noch einmal richtig krachen lassen. Die ursprüngliche Lässigkeit der Hits bleibt zwar auf der Strecke, doch mit dem unvermeidlichen „Uh-la-la-la“ im Ohr macht sich die Menge um Mitternacht beschwingt auf den Heimweg.
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