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Kultur: Lauschen am Echolot

KLASSIK

Wenn Bernard Haitink vor die Berliner Philharmoniker tritt, dann wird man Zeuge eines Musizierens, das kein Forcieren kennt, keinen äußeren Druck, der ein Werk mal zusammenquetscht, mal in die Länge zieht. Ja, man glaubt beinahe, in dieser seit 40 Jahren bestehenden Beziehung zwischen Dirigent und Orchester scheint alles seinen Platz gefunden zu haben. Alle Räume sind durchmessen und die Musik kann in jedem Takt zu ihrer natürlichen Größe finden.

Wenige Tage nach seinem umjubelten Webern-Mahler-Brahms-Programm steuerte Haitink die Philharmoniker nun durch tschechisch-romantische Gefilde. Eine Reise erster Klasse und mit weit geöffneten Herzen an versunkene Orte. Bedrohlich tourt die Streichermotorik in Bohuslav Martinus Doppelkonzert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauke hoch, eine stählerne Klangsichel schwingt sich empor. In das rhythmische Spiel, das Gegeneinander der Orchestergruppen nach concerto-grosso-Manier, hat sich ein unheilvoller Ton gemischt, schwindelerregend und nicht zu stoppen. Die Philharmoniker lauschen am Echolot: Als Martinu sein Werk 1938 fertig stellte, war Hitlerdeutschland dabei, sich die Tschechoslowakei einzuverleiben. Dvoraks 7. entfaltet sich unter Haitink zu einer mit lebhaften Farben gestalteten symphonischen Landschaft, durchweht von Leidenschaft und tanzenden Vierteln im Scherzo. Ein Triumph der pulsierenden Form. Letzterer misstraut Frank Peter Zimmermann zu Beginn von Mendelssohns Violinkonzert noch etwas. Mit gewagtem Rubato stürzt er hinein, um nicht im zuckrigen Zauberton zu landen. Doch bald blüht eine kühn-zarte Interpretation mit berückenden pianissimi auf.

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