zum Hauptinhalt
Schlechter Verlierer. Donald Trump behauptet, ihm sei die Wahl gestohlen worden, obwohl es dafür keine stichhaltigen Beweise gibt.

© Alex Brandon/dpa

Lebenskrise und Machtwechsel: Donald Trumps Knacks-Moment

Scheitern gehört zum Leben und zur Demokratie. Wie macht man nach einem Bruch vernünftig weiter? Die Kolumne Spiegelstrich.

Klaus Brinkbäumer war zuletzt Chefredakteur des „Spiegel“ und arbeitet heute als Autor unter anderem für „Die Zeit“. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.

Wir könnten heute mit der Frage beginnen, ob Donald Trump ein erwachsener Mensch ist, doch nicht schon wieder, nein, wir beginnen heute ganz anders.

Kein erwachsener Mensch führt ein Leben ohne Brüche und ohne Wendungen, ohne all die Fehlentscheidungen und die Zufälle, die uns hierhin lenken und dorthin werfen; manchmal, für die Glücklichen, kommen die Schläge spät, doch sie kommen.

Die meisten Menschen möchten sich das eigene Leben als lineare Geschichte des Aufstiegs, der Mehrung von Erfahrung, Liebe, Geld und Ruhm erzählen, doch wir ahnen, dass das Leben so nicht bleiben wird. Nicht ist. Und am Ende bestenfalls am Anfang, in der Jugend, so gewesen sein wird.

„Man kann ganz gut unterscheiden zwischen der Schlappe, dem Unglück, dem Scheitern, der Einbuße, dem Verlust, der überwunden werden kann … aber der Knacks ist etwas anderes, über ihn kommt man nicht hinweg. Erst im Rückblick kann man sagen: Dann war nichts mehr wie zuvor“, das hat Roger Willemsen geschrieben.

Und wenige Seiten später: „In jedem Leben kommt der Augenblick, in dem die Zeit einen anderen Weg geht als man selbst. Es ist der Moment, in dem man aufhört, Zeitgenosse zu sein. Man lässt die Mitwelt ziehen. Als Langstreckenläufer würde man sagen: Man lässt abreißen, denn man kann die Lücke nicht schließen.“ Wie aber macht man das: loslassen und zulassen, dass etwas vorbei ist; und wie lebt man weiter ohne Bitterkeit?

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

Die Erfahrung des Knacks (da wir hier in einer Sprachkolumne sind: des Knackses?) kenne ich. Für mich kam nach den Trauerwochen das Leuchten durch einen Ortswechsel zurück, in neuer Heimat, im neuen Segelrevier, schon durch den Aufbruch und dann durch neues Handwerk (wie eine wöchentliche Kolumne).

„Living well is the best revenge“, hatte mein Freund Nils geraten, und dass es funktionierte, merkte ich auf der anderen Seite des Meeres, wo sich nichts wie Revanche anfühlte: Der Sohn lernte laufen, und das genommene Zentrum des einstigen Lebens war endlos entfernt, fort sogar aus den Träumen. Und damit zur Politik.

Dass Macht auf Zeit verliehen wird, gehört zur Demokratie, und alle kennen die Regeln. Alle wissen auch, dass es schmerzhaft sein wird, wenn die Macht schwindet: Sie schwindet stets allzu schnell, und es wird wie ein Vorgriff sein, ein kleiner Tod, ein Knacks.

Brandt und Schmidt gingen vor ihrer Zeit

Adenauer hätte seinen Nachfolger Erhard am liebsten erdolcht, oh, wie hasste er schon dessen Zigarren. „Den bringe ich auf Null“, sagte Adenauer, als er von Erhards Beliebtheit hörte; „keiner hört mehr auf mich“, diktierte Adenauer seiner Sekretärin, was für Abschied ist bitte dies?

Brandt und Schmidt gingen leidend vor der Zeit: durch Rücktritt der eine, wegen des Koalitionsbruchs der FDP der andere, doch souveräne alte Männer wurden sie, beliebter Parteivorsitzender, beliebter Publizist.

Kohl glaubte nicht, dass irgendwer seiner Nachfolge würdig sei, und redete entsprechend über alle, die in Frage kamen. Schröder erklärte am Wahlabend, dass „niemand außer mir“ in der Lage sei, eine Regierung zu bilden; später gratulierte er Angela Merkel doch und nannte das eigene Alphagebaren „suboptimal“.

Demokratie braucht einen stabilen Umgang

Nun liebt Merkel die Macht und die eigene Wichtigkeit, doch sie hält die Balance, weiß, dass das Ende naht, redet nicht über sich und ihr Erbe, nimmt Covid-19 ernst und regiert, und wir dürfen davon ausgehen, dass sie's bis zum letzten Tag so halten und lächelnd verschwinden wird.

Die Demokratie braucht den stabilen Übergang. Sie funktioniert nicht, wenn Gewählte (und Abgewählte) die Wahl nicht respektieren, das eigene gekränkte Seelchen bedeutender finden als die Pandemie, darum die Arbeit einstellen und doch das Amt nicht hergeben. Und welcher Erwachsene erklärt es nun Donald Trump?

Klaus Brinkbäumer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false