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Im Entree stehen die in Gläser eingelegten Pflanzen und ein Teil des Bienenhauses.

© Kulturstiftung Basel H. Geiger

Lebenslinien: Sandra Knecht in der Kulturstiftung H. Geiger

Die Schweizer Künstlerin Sandra Knecht kocht, brennt Schnaps und denkt über Heimat und Identität nach. In Basel ist nun ihre bislang größte Ausstellung zu sehen.

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Zwischen wie Obst eingelegten Pflanzen und einem kaputten Motorradhelm liegen bloß wenige Meter. Trotzdem stecken die beiden Objekte ein halbes Leben ab: Der Helm hat die Schweizer Künstlerin Sandra Knecht vor vielen Jahren bei einem Unfall gerettet, das Grün stammt von jenem Bergdorf, wo sie jetzt lebt, Schnaps brennt, Tiere hält und ihre Kunst macht.

Beides, der Helm und jene Gläser, in denen das Grün in einer konservierenden Flüssigkeit schwebt, stehen im Entree ihrer Ausstellung „Home Is a Foreign Place“ in der Kulturstiftung Basel H Geiger. Sie sind der Auftakt einer lange vorbereiteten Soloschau zum Thema Heimat und Identität, die so eigensinnig ist wie die 1968 geborene Künstlerin selbst.

Die Liebe zu alten Hütten

In Basel kennt man sie unter anderem als ehemalige Betreiberin des „Chnächt“. Es war ein besonderes Restaurant in einer historischen Holzhütte, in der die Künstlerin besondere Abendessen zubereitete. 2019 gab sie auf, der Vandalismus im Hafengebiet machte auch vor ihrer kulinarischen Institution nicht halt. Geblieben sind performative Dinnerpartys, wie sie jüngst eines in der Londoner Serpentine Gallery auf Einladung von Hans-Ulrich Obrist gegeben hat. Geblieben ist auch ihre Liebe zu alten Schweizer Hütten.

Das ebenfalls hölzerne Bienenhaus in der Ausstellung würde es ohne Knecht nicht mehr geben. Die Besitzer wollten es abfackeln, Knecht hat es gerettet und wieder aufgebaut. Etwas unkonventionell vielleicht: Das Dach liegt, ebenso wie eine Wand, auf dem Fußboden. So kann man im Haus sitzen und gleichzeitig in den kleinen Garten der Stiftung schauen.

Skelette aus Bronze

Die kompakte Architektur für mehrere Bienenstöcke ist für sich schon ein Kunstwerk, doch Sandra Knecht verändert sie mit ihren Eingriffen noch einmal. Bewahren und Transformieren, die beiden Begriffe sind im Werk zentral. Sie äußern sich in einem in Bronze gegossenen Birnbaum, der vom Sturm gefällt und von der Künstlerin deshalb konserviert wurde. Oder in den Skeletten von Katzen, die sie in alten Bauernhöfen entdeckt und ebenfalls als Bronzeskulpturen verewigt hat. In neuer Gestalt beginnen sie ihren Dialog zwischen Vergangenem, Gegenwart und teils überkommenen, teils immer noch gelebten Traditionen.

Sandra Knecht im Porträt: „Babel“, 2021.

© Tina Sturzenegger

Zur Ausstellung gehören ebenfalls Fotografien im großen Format. Eine zeigt Knecht als Jugendliche, bei späteren Porträts kommen Schweizer Fasnacht-Masken zum Einsatz, die tierische oder teuflische Elemente symbolisieren. Der Tod, das macht schon der zerschrammte Helm eingangs klar, ist stets präsent – eine Konstante im Leben.

Knechts liebste Songs

Das klingt leicht morbide, sorgt allerdings für die besondere Atmosphäre in der Stiftung. Alles hier – vom Plattenspieler, den man (auch aus Vandalismus-Gründen leider nicht mehr selbst) bedienen kann, um Knechts Lieblingsmusik zu hören, bis zum ausgetragenen Gucci-Loafer – hat eine zutiefst persönliche Note.

Gleichzeitig ist es ein ästhetisches Arrangement, das nichts dem Zufall überlässt: Jedes Ding findet im Kosmos der Künstlerin seinen passenden Platz. Zusammen beschreiben sie einen Zustand – ein diverses Gefühl von Zugehörigkeit, Erinnerung, aber auch Angst vor den eigenen Dämonen. Sandra Knecht spürt diesen inneren Zuständen nach und stülpt sie schutzlos nach außen.

Der Kosmos der Künstlerin: Ausstellungsansicht Kulturstiftung Basel H. Geiger.

© Kulturstiftung Basel H. Geiger

Manche Erlebnisse gehören ihr allein. Andere, wie die erzkatholisch geprägte Kindheit, ihre Queerness, das Dorfleben oder die innige Beziehung der Künstlerin zu ihren Hoftieren, die dennoch geschlachtet werden, sind Teil einer kollektiven Erfahrung, in der sich die Ausstellungsbesucher wiedererkennen – wenn sie mögen und können.

„Home Is a Foreign Place“, dieses Fremdartig-Unbekannte dort, wo man am liebsten ins Kuschelig-Vertraute sinkt, gehört zu den ureigenen Erfahrungen. Es wirkt als Stachel im Fleisch, verstörend und ungemütlich für die einen. Für Sandra Knecht ist es der Motor, ihre Studien unermüdlich fortzutreiben.

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