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Kultur: Lieben, aneinander vorbei

Harry Kupfers Inszenierung von Sylvester Levays „Elisabeth“ im Berliner Theater des Westens

Der Tod trägt weiß. Nicht wie einer, der das Leben raubt, sondern eher wie ein Heilsbringer tritt Uwe Kröger auf. Da wird schon deutlich, dass seine Figur ganz und gar entgegen der Erwartungen angelegt ist. Es ist eine zugleich faszinierende und beunruhigende Idee von Michael Kunze, der „Elisabeth“ geschrieben hat, den Tod nicht als eine Bedrohung darzustellen, vor der man sich abgrenzt, sondern als eine Verführung, einen Liebhaber, der tötet, indem er küsst. Nach ihm sehnt sich Elisabeth ihr ganzes Leben, und seinem Charme erliegt sie schließlich: „Der letzte Tanz gehört alleine mir“, verspricht er, inzwischen in ganz konventionellem Schwarz. Nur Krögers weiß-blonder Haarschopf leuchtet da noch weiter.

Auf der Bühne leuchtet noch etwas anderes: Eine große Videoleinwand, in Feldern strukturiert, dominiert den Hintergrund und wird durch Spiegel an den Seiten noch verstärkt. Ein bisschen wie die Fernsehwand im Kaufhaus sieht das aus, oder wie ein zerbrochener Spiegel. Jedes Feld kann andere Bilder zeigen, etwa architektonische Fragmente der Wiener Hofburg – oder sind es Seelensplitter? Die Felder können sich aber auch vereinigen zu großen Landschaftsbildern. Das hat Größe und Weite, ohne plump realistisch zu sein.

Davor läuft es Schlag auf Schlag ab, das große Drama der Habsburger, das ja mit dem Tod Elisabeths noch lange nicht zu Ende sein sollte. Der zweiter Kunstgriff des Autors neben der Erfindung des Todes: Luigi Lucheni (Bruno Grassini), der italienische Anarchist, der Elisabeth 1898 in Genf ersticht, erzählt als moderierender Mörder ihre Geschichte im Rückblick. In seiner Person ist das Ende immer schon anwesend.

Es ist eine Erzählung, die nie ins Stocken gerät. Regisseur Harry Kupfer hält sie mit ständig neuen Einfällen in Bewegung, die Beamten, Kleriker und Ratgeber fahren am Kaiser Franz Joseph (Markus Pol) vorbei wie die Männchen am Münchner Rathaus, die Kaffeehausbesucher drehen ihre Tischchen, als säßen sie in Autoscootern. Kupfers detailgenaue Personenregie, die man aus der Oper kennt, schimmert in jeder Szene durch, so wenn der Kaiser und Elisabeth sich gegenseitig sagen „Ich liebe dich“ und dabei in Wahrheit doch schon aneinander vorbeifahren. Vor allem die Massenszenen glücken, das Ensemble spielt in Bildern von fellinischer Schönheit, Nonnen treten mit grotesk großen Hauben auf, der Bischof tanzt, das Volk demonstriert. Dies ist kein klischeeseliges Herz- Schmerz-Musical, es ist voller politischer und menschlicher Grenzerfahrungen, deswegen hat es Harry Kupfer auch übernommen. Nur wenn er Nazis „Sieg Heil!“ rufen und den Hitlergruß machen lässt, um den aufkeimenden Antisemitismus im Habsburgerreich zu illustrieren, übertreibt er es mit der Welthaltigkeit. So viel Deutlichkeit schlägt ins Gegenteil um.

Aber da die Geschichte ständig Farbe und Temperatur ändert, ist das gleich wieder vergessen. Vor allem im Gesicht von Pia Douwes, der Hauptdarstellerin, spiegeln sich die wechselnden Zeiten. Zu Beginn noch das glückliche Mädchen in ländlicher Umgebung, das Gedichte schreiben will, verdunkeln sich ihre Züge nach der Eheschließung zunehmend. Wenn sie alleine ist, merkt sie, dass sie Kraft nur noch aus sich selber schöpfen kann, und singt davon in großen Einzelnummern. Der große Bruch kommt nach der Pause: Jetzt ist Schluss mit der „Sissi“, sie wird selbst gefühlskalt, bis es schließlich für ihren Zustand nur noch ein Wort gibt: verhärmt. Doch bei so einer Schwiegermutter vielleicht auch kein Wunder. Christa Wettstein spielt die Erzherzogin Sophie wunderbar böse und intrigant. Meist begleitet Marschmusik ihre Auftritte. Ansonsten reicht die Klangwelt von Sylvester Levays Partitur von Streichern über Schlagzeug bis zu expressivem Orgelspiel (musikalische Leitung: Bernd Steixner). Am Ende ist es der Tod, der Lucheni das Messer gibt und Elisabeth in Empfang nimmt. Da trägt er schon längst wieder weiß.

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