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Kultur: Literatur mit Manieren

„Alte Manier“ – so lautet offenbar die neueste Erfolgsformel. Nicht nur, dass Ingo Schulze mit seinen „Geschichten in alter Manier“ gerade den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen hat.

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„Alte Manier“ – so lautet offenbar die neueste Erfolgsformel. Nicht nur, dass Ingo Schulze mit seinen „Geschichten in alter Manier“ gerade den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen hat. Abgesehen von Ausnahmen wie Felicitas Hoppe ist der größte Teil der deutschen Gegenwartsliteratur in „alter Manier“ erzählt. Auch der atemberaubende Erfolg von Daniel Kehlmann fällt unter dieses Register.

Nachdenklich stimmt das schon. Schließlich klingt „alte Manier“ ziemlich altväterlich – nach schlichtem Realismus, nach geschlossener Fiktion und Lektüreseligkeit im Ohrensessel am Kaminfeuer. Zudem ist es von der Manier nicht weit zur Manieriertheit – dem Kunsthandwerk. Kehlmann etwa ist auch ein begnadeter Kunsthandwerker. Lesezeit ist Lebenszeit. Wie aber liegen die Dinge bei Ingo Schulze ? Die einen sagen, der Preis war überfällig, andere halten seine Bücher für überschätzt. In „Handy“, jenen „Dreizehn Geschichten in alter Manier“ (Berlin Verlag), erzählt Schulze von „Verwirrungen einer Silvesternacht“ oder von „Milva, als sie noch ganz jung war”. Das Besondere daran sei, dass Schulze Literatur und Realität zur Deckung bringe, dass sich der Text lese, als sei es die Wirklichkeit selbst. Und alles das, bemerkte ein Rezensent, sei „sehr, sehr schön geschrieben“. Na, was will man mehr! Wer literaturkritischen Einflüsterungen nicht traut und sich ein eigenes Urteil bilden will, sollte heute (20 Uhr) in die Akademie der Künste kommen (Pariser Platz 4, Mitte), wo Schulze sein Buch vorstellt.

Mit Geschichten in neuerer Manier darf man andernorts rechnen. Zum Beispiel am 28.3. im Brecht-Haus (Chausseestr.125, Mitte, 20 Uhr). Dort liest Brigitte Burmeister aus einem noch nicht erschienenen Roman. Doch wer Burmeister kennt – den höchst experimentellen Bericht „Anders oder vom Aufenthalt in der Fremde“ oder den großartigen Wenderoman „Norma“ –, der weiß, dass alte Manier ihr fremd ist. Auch ihr geht es in ihrem neuen, biografischen Buch „Ohne Paul“ um die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Und es geht um die Geschichte des Schriftstellers und Lektors Klaus Roehler sowie seiner Frau Gisela Elsner, die zeitweise eine erfolgreiche Autorin war und als antibürgerliches „enfant terrible“ der „Wirtschaftswunderplunder-Welt“ der fünfziger und sechziger Jahre die Leviten las.

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