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Buch-Rezension: Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens

"Ruhiges, friedliches Desinteresse" - das ist aus Sicht von Max Goldt die Grundvoraussetzung dafür, seitlich an etwas vorbeigehen zu können, was hässlich ist.

Schweigsam und stolz sollte man an Weihnachtsmärkten vorbeigehen, nicht hasserfüllt schreiben sollte man über Alben von Marius Müller-Westernhagen. Denn "die Verachtung ist eine wertvolle und saubere Alternative zum Hass und zum Ekel". "Man sollte einfach akzeptieren, dass alle sozialen Schichten kulturelle Bedürfnisse haben, auch wenn es um jeden einzelnen schade ist, der unter seinen menschlichen Möglichkeiten bleibt." Mit nunmehr 46 Jahren hat der Schriftsteller Max Goldt seine Lebens- und Schreiberfahrungen in eherne Sätze gegossen. Prosa und Szenen aus den Jahren 2002 bis 2004 reihen sich in seinem neuen Sammelbändchen zu einem Manifest wahrhaftiger Toleranz.

Allein, nicht jedes Ungemach lässt sich weiträumig umgehen wie ein Weihnachtsmarkt. Der Fernseher läuft, die Sprache stirbt, und prominente Wiedergänger machen es sich in unseren Hirnen bequem. Günter Grass tapeziert Goldts Wohnzimmer mit "akademisch abgezeichneten Meerestieren und Gegenständen". "Kleintalentverweser" schreiben "Tomatensaftglossen." Punk-Köche "tragen bei der Arbeit T-Shirts aus Berlin-Mitte, haben ein Mountainbike am Herd lehnen und gehen auch sonst einen ‚radikal eigenen Weg': Beim Kochen wird Cola getrunken, und die Zitrone mit den Zähnen ausgequetscht. Sollte beim Quirlen das Mountainbike umfallen, spricht der Koch in die Kamera: ‚Jesus Fucking Christ'."

Haltung bewahren

Hier heißt es mit Goldt: Haltung und Verachtung bewahren. Keineswegs sollte der Journalist solchen Trash ins Feuilleton hieven. Die neue "große Gelassenheit" in solchen Dingen ist eine popkulturelle Mode und "geradezu reaktionär", belehrt uns Max Goldt. Und beschreibt im folgenden Absatz aufs Detaillierteste, was er zu einer müslispeisenden Rockmusiklegende am Hotelbuffet gesagt hätte, hätte er sie nicht so sehr verachtet. Goldt-Fans können aufatmen. Der Meister therapiert sich und uns munter weiter.

Rosig sieht also die Zukunft aus. Seinen hundertsten Geburtstag möchte Max Goldt "auf jeden Fall in der Geburtstagsecke von McDonald's feiern, auf einem kleinen roten Stühlchen sitzend". Na dann viel Spaß!

Max Goldt: Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens. Neue Texte 2002-2004. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 176 Seiten, 17,90 Euro.

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