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Unser Onkel JoLo: Der große Lügeneimer (2)

Das konnte sich der selbsternannte Begründer der Popliteratur, Joachim Lottmann, nicht entgehen lassen: ein bisschen auf dem Hegemann-Ticket mitfahren. Er lud sie zu seiner Buchpremiere am vergangenen Montag in den Münzsalon in Berlin-Mitte ein, machte vorher einen seiner berüchtigten Spaziergänge mit ihr, so wie er einst mit der 68er-Abrechnerin Sophie Dannenberg durch den Berliner Zoo spazieren gegangen war, und in den Bars 25 und 103 sprachen sie dann alles andere Wichtige durch.

Das konnte sich der selbsternannte Begründer der Popliteratur, Joachim Lottmann, nicht entgehen lassen: ein bisschen auf dem Hegemann-Ticket mitfahren. Er lud sie zu seiner Buchpremiere am vergangenen Montag in den Münzsalon in Berlin-Mitte ein, machte vorher einen seiner berüchtigten Spaziergänge mit ihr, so wie er einst mit der 68er-Abrechnerin Sophie Dannenberg durch den Berliner Zoo spazieren gegangen war, und in den Bars 25 und 103 sprachen sie dann alles andere Wichtige durch. Natürlich hatte Helene Hegemann zu diesem Zeitpunkt andere Sorgen, als Lottmanns Buchpremiere zu besuchen oder mit ihm durch die Nacht zu ziehen; immerhin aber gibt es in Lottmanns Blog schon ein Foto, das beide zusammen zeigt und ziemlich echt aussieht, wie und wo auch immer es zustande gekommen sein mag.

Doch selbst ohne Hegemann brauchte sich Lottmann nicht zu beklagen. Gekommen waren tatsächlich Thomas Meinecke, Maxim Biller, Sascha Lobo, Heike-Melba Fendel und Jutta Winkelmann, um aus seinem im Sommer letzten Jahres veröffentlichten Roman „Der Geldkomplex“ zu lesen. Auch Lottmanns Verleger Helge Malchow gab sich die Ehre. Er wies auf Lottmanns Großtat aus den achtziger Jahren hin, den Roman „Mai, Juni, Juli“, der Ende der neunziger Jahre, als die Popliteratur den Literaturbetrieb eroberte, ein zweites Mal aufgelegt wurde und aus dem Leben eines erfolglosen Schriftstellers erzählt. Und Malchow erklärte Lottmann zu einem Schriftsteller, der am allerkreativsten mit der Finanzkrise umzugehen wisse – mit der allgemeinen sowieso, aber vermutlich mehr noch mit den eigenen zerrütteten Finanzen. Denn als einen Erfolgsschriftsteller kann man Lottman nicht bezeichnen, trotz eines gerade in den letzten Jahren beachtlich gewachsenen Werkes mit Romanen wie „Zombie Nation“ oder „Die Jugend von heute“. Lottmann macht aus dieser Erfolglosigkeit übrigens gar keinen Hehl.

Was Joachim Lottmann aber mit Sicherheit ist: ein Lügenbaron erster Güte, der es mit der Wahrheit nie so genau nimmt, um vielleicht gerade dadurch zu einer höheren, anderen Wahrheit vorzustoßen. Lottmann klaut nicht, Lottmann lügt. Das ließ sich im Münz-Club wieder schön verfolgen, als er seine Gäste in einer längeren Rede vorstellte. Wie er seinen 50. Geburtstag in Indien feierte, erzählte er da (in alten Lottmann-Buchausgaben wie etwa dem Roman „Deutsche Einheit“ ist sein Geburtsjahr mit 1956 angegeben), und wie er in München bei Diedrich Diederichsen über Thomas Mann promovierte (und Maxim Biller bei einem anderen Professor dasselbe tat, was stimmt). Oder wie Helge Malchow seinerzeit eine DuMont-Tochter ehelichte und die DuMont-Familie dann den Verlag Kiepenheuer & Witsch kaufte, bei dem Lottmann dann der erste Autor und sein früherer Gymnasiallehrer Malchow sein Lektor wurde. Solche Geschichten sind zum Teil recht lustig, stimmen aber auch traurig. Denn ein Leben lang „auf der Borderline nachts um halb eins“ herumzusurfen, wie ein anderer Lottmann-Roman heißt, kann es das sein?

Eindrücklichere Momente hatte die Lesung, die nicht zuletzt bewies, wie „Der Geldkomplex“ gleichermaßen absurd und unterhaltsam ist. Maxim Biller war um ein bisschen Wahrheit bemüht und ließ es sich nicht nehmen, sein erstes Zusammentreffen mit Lottmann anders darzustellen. Bei der Lesung von Heike-Melba Fendel klingelte Lottmanns Handy, als sei das inszeniert, nämlich ausgerechnet in einer Passage, in der Fendel mehrmals wie in einem Rap „lauter“, „noch lauter“ vorlas. Und ultimativer Höhepunkt war Sascha Lobo, der das Porträt über ihn selbst aus „Der Geldkomplex“ vorlas, was fast etwas Transzendentales hatte: Wer spricht? Wer liest denn da? Wessen „Irokesenschnitt stand matt und eingeknickt auf seiner Glatze wie eine eingegangene Blume“? Als „objektiv erbärmlich“ habe Rainald Goetz, der in „Der Geldkomplex“ ebenfalls als Romanfigur vorkommt, sein Schreiben bezeichnet, klagt der Ich-Erzähler. Nach der Lesung im Münz-Club war zumindest aus Lottmanns Prosa keine Erbärmlichkeit herauszuhören. Die leuchtete eher und erinnerte an „Mai, Juni, Juli“. Mit anderen Worten: Den Namen Lottmann wird man sich doch noch einmal merken müssen. So leicht lässt der sich nicht unterkriegen.

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