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Deutscher Buchpreis 2025: Dorothee Elmiger gewinnt mit Roman „Die Holländerinnen“
Das Buch sei ein „faszinierender Trip ins Herz der Finsternis“, sagt die Jury. Für „Die Holländerinnen“ erhält Dorothee Elmiger jetzt einen der renommiertesten Literaturpreise.
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Der Deutsche Buchpreis geht in diesem Jahr an die Autorin Dorothee Elmiger für „Die Holländerinnen“. „Dieser Roman ist ein Ereignis“, heißt es in der Begründung der Jury. Elmigers Stil sei gleichzeitig distanziert und doch fesselnd und das Buch „ein faszinierender Trip ins Herz der Finsternis“. Die 1985 geborene Schweizerin, die in New York lebt, galt bereits als eine Favoritin.
Worum geht es in dem Roman?
„Die Holländerinnen“ handelt von einer kollektiven Grenzüberschreitung im Regenwald Südamerikas. Erzählt wird die unheimliche Geschichte weitgehend in der indirekten Rede. Eine Autorin berichtet in einer Poetikvorlesung von ihrer Reise in den Dschungel als Teil einer Theatergruppe. Diese ist auf den Spuren zweier holländischer Backpackerinnen, die vor Jahren dort tatsächlich verschwunden sind. Doch das Projekt läuft ziemlich aus dem Ruder: Die Gruppe wird vom Urwald nahezu verschluckt und erzählt sich verstörende Geschichten.
„Je tiefer sie sich im Dickicht und Morast verläuft, desto mehr reißt Elmiger die Leser*innen in einen Sog der Angst. Ihr Roman erzählt von Menschen, die in ihr „dunkelstes Gegenteil“ verfallen“, findet die Jury. „Indirekt ist dabei nicht nur Elmigers Sprache, sondern auch ihr Verweis auf unsere Gegenwart, die Schritt für Schritt in Selbstüberhebung versinkt.“
Ist das Buch tatsächlich preiswürdig?
Ja, auf jeden Fall. Die Lektüre lässt einen nicht mehr los, auch wenn in dem Buch vieles unklar bleibt: Nichts wird zu Ende erzählt, nichts aufgeklärt. Konkret ist nur die Verunsicherung. Die Sprache bildet diesen Grusel perfekt ab: Sätze winden sich wie Schlingpflanzen um eine dunkle Mitte, der Konjunktiv distanziert das Geschehen von der Realität.
„Der Horror liegt naturgemäß außerhalb der Sprache“, schreibt Elmiger, er sei, „wenn man so wolle, ihr Gegenteil“. Das darzustellen, gelingt ihr meisterhaft. Wer das Buch lesen will, könnte derzeit allerdings Pech haben: Der beim Hanser-Verlag erschienene Titel ist vielerorts vergriffen und hat nach Auskunft von Buchhändlern aktuell mitunter mehrere Wochen Lieferzeit.
Wer geht leer aus?
Der Deutsche Buchpreis gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche und wird traditionell am Tag vor der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse vergeben. Neben Elmiger waren noch fünf weitere Kandidatinnen und Kandidaten in der engeren Auswahl: Kaleb Erdmann („Die Ausweichschule“), Jehona Kicaj („ë“), Thomas Melle („Haus zur Sonne“), Fiona Sironic („Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“) sowie Christine Wunnicke („Wachs“).
In den vergangenen Wochen waren verschiedene Favoriten in den Medien gehandelt worden, darunter Elmiger. Die Schweizerin stand bereits mit ihrem letzten Buch „Aus der Zuckerfabrik“ auf der Shortlist für den Schweizer und für den Deutschen Buchpreis. 2022 wurde sie in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen.
Elmiger wollte während des Schreibens aufgeben
Ihr Buch „Die Holländerinnen“ sei entstanden, weil sie über verschiedene Formen von Gewalt, Beherrschung oder Dominanz habe nachdenken wollen, sagte Elmiger im September in einem Interview der Schweizer „Wochenzeitung“. „Ich hatte gemerkt, dass mein Text sehr düster ist, auch verzweifelt. Darin entspricht er mir eigentlich nicht. Ich habe trotz allem eine große Zuversicht.“
Sie habe beim Schreiben des Buches fast aufgegeben, sagte Elmiger über „Die Holländerinnen“. Sie habe drei, vier Jahre lang immer wieder alles verworfen. „Es wurde immer schlimmer, bis ich dachte: Ich muss mich vom Schreiben verabschieden, diese Phase meines Lebens ist nun vorbei.“ Dann sei es gewesen, als habe sich plötzlich eine Handbremse gelöst. Den Endspurt beschreibt sie als „beinahe fiebriges Schreiben“.
Jury hatte 229 Romane gesichtet
Für den diesjährigen Buchpreis hatte die Jury 229 deutschsprachige Romane gesichtet, die zwischen Oktober 2024 und Mitte September 2025 erschienen sind. Zunächst wurden 20 Bücher für die Longlist ausgewählt, diese wurde dann auf die sechs Titel umfassende Shortlist gekürzt.
Insgesamt ist der Buchpreis mit 37.500 Euro dotiert: Elmiger erhält 25.000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist jeweils 2.500 Euro. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an Martina Hefter für ihren Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ (dpa)
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