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Winkler

© dpa

Bachmann-Preis: Winkler teilt in Eröffnungrede aus

Der Kärntner Schriftsteller Josef Winkler hat den Wettbewerb um den 33. Ingeborg Bachmann-Preis in Klagenfurt eröffnet - mit einer Rede, die in eine Abrechnung mit der Kärntner Landespolitik mündete.

Diesen Eröffnungsabend des 33. Klagenfurter Bachmann-Lesens hatte sich Klagenfurts Vize-Bürgermeister Albert Gunzer von der Haider-Partei BZÖ vermutlich anders vorgestellt, in jedem Fall stressfreier. Vom "Stress, unter dem wir alle stehen", spricht Gunzer in seiner kleinen Ansprache im Kärntner ORF-Landesstudio und betont den Stellenwert der Literatur in diesem Zusammenhang: "Die Literatur holt uns da raus", weiß Gunzer und scheint das tatsächlich ernst zu meinen. Stress bekommt er aber gleich ein paar Minuten später, Stress für die Magenschleimhäute und den Herzmuskel, zumindest lässt seine zunehmend versteinernde Miene das erahnen, als der Kärnter Schriftsteller und letztjährige Georg-Büchner-Preisträger Josef Winkler seine Eröffnunsgrede hält.

Winkler, gewandet in einem rosarotgestreiftem Hemd, einer rosaroten Hose und weinroten Schuhen, "geschossen" könnte man sagen, erinnert sich zunächst an Ingeborg Bachmann, insbesondere an ihr Prosastück "Jugend in einer österreichischen Stadt", und vermischt diese Erinnerung, diese Bachmann-Lektüre, mit Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend, etwa "an die schwarzen Ölboden im Unterrichtsraum, in der "Klasse" der Dorfvolksschule, wie wir den Raum nannten." In seiner kunstvoll verschraubten, mit gezielten Redundanzen versehenen Rede kommt er immer wieder darauf zurück, wie er vor dem Haus steht, in dem Ingeborg Bachmann ihre Jugend verbracht hat, in der Klagenfurter Henselstraße, wie er die rosaroten und weißen Rosen an der Mauer des Hauses betrachtet und sich Erinnerung auf Erinnerung einstellt, zum Beispiel, als er vom Tod der Bachmann hört, bei einem Freund, dem Sohn einer Schneiderin.

Aus den Erinnerungen an Bachmann und die eigene Kindheit arbeitet Winkler nach und nach jedoch eine ganz zauberhafte Abrechnung mit der Kärntner Landespolitik heraus. Von dem Wörtchen "erlegen", den Verletzungen, den Bachmann bei dem Brand in ihrer Wohnung "erlegen" sei, wie es damals in der Radiomeldung geheißen hatte, kommt er auf den Tod eines neunjährigen Jungens vor zwei Jahren auf einer Kreuzung in Klagenfurt, von diesem Tod zu dem Bau des viel zu großen, viel zu teuren Klagenfurter Fußballstadions bei der Euro 2006. Und das Stadion führt ihn dann zu "einem größenwahnsinnig gewordenen Bürgermeister und einem ebenso größenwahnsinnigen Landeshauptmann, den beiden Hausherrn der Stadt K. und des Landes K., - der eine hat später, schwer alkoholisiert, aus seinem mit dreifach überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Auto ein beim Aufprall mehrfach sich überschlagendes Geschoß gemacht."

Winkler nennt auch Zahlen, was etwa ein Villacher Steuerberater für seine Dienste für Haider und Co bekommen hatte, sechs Millionen Euro, (eigentlich sollten es 12 Millionen sein, doch der Villacher Steuerberater gewährte "Patriotenrabatt", so Winkler). Er erwähnt, dass die Familie des neunjährigen Jungen nicht mal finanzielle Unterstützung bei den Beerdigungskosten erhielt, "es gibt dafür keinen Budgetposten", sei ihr beschieden worden, dass es nicht mal eine Bibliothek in Klagenfurt gebe und dergleichen mehr.

Aus dem Zusammenhang reißen, gezielt wieder in den Zusammenhang schmeißen, so könnte man die Bauweise von Winklers schöner, landestypisch schmähender Winklertypisch dunkler und saftiger, in jedem Fall aber geharnischter Rede bezeichnen. Hinterher ist gerade dem aus Deutschland angereisten Literaturbetrieb nicht ganz klar, ob Winkler nun einen Skandal auslösen wird in der Stadt, die so stolz auf ihren Bachmann-Wettbewerb ist und die man doch kaum als der Literatur besonders nahestehende Stadt bezeichnen kann. (Die orstansässige "Kleine Zeitung" enthält sich am nächsten Tag jeden Kommentars und druckt einfach Auszüge der Rede Winklers ab, wie immer das zu bewerten ist). Oder ob es nicht doch so ist, dass ein Jörg Haider und eine Partei wie die BZÖ nunmal einen Josef Winkler einfach bedingt, ein Josef Winkler Politker wie Haider, Gunzer, wie es beim anschließendem Buffet einer der Juroren etwas genervt von Winklers Rede ausdrückt.

Josef Winkler jedenfalls erhält im ORF-Studio lange Ovationen für seine Rede, natürlich weniger aus den vorderen Reihen, wo Gunzer und die Honoratioren sitzen. Mehrmals zeigt Winkler sich in seinem anachronistischen, seiner Rede aber angemessenen Outfit (Ein Mann sieht rot? Nein, dafür wirkt er zu zurückhaltend und beherrscht) und verbeugt sich. Und tatsächlich: Nimmt man die im Vergleich dazu blassen Reden von etwa Iso Camartin, Hanns-Josef Ortheil oder Ilija Trojanow aus den vergangenen Jahren, dann hat diese von Winkler es wirklich in sich, hat sie ihre großen Qualitäten, die vielleicht dann aber auch in dieser Form nur ein Österreicher hinbekommt.

Auch Burkhard Spinnen, der diesjährige Juryvorsitzende, ist beeindruckt, mag aber nicht weiter groß Stellung zu Winkler beziehen. Er bedankt sich lieber bei den Organisatoren und dass diese die Verbesserungsvorschläge der Jury nach den Veränderungen des letzten Jahres (weniger Teilnehmer, nur noch zwei Lesetage, Preisverkündung am Samstagabend, zur Fernsehprimetime) angenommen hätten: Die Preisverleihung etwa findet wieder am Sonntagfrüh statt, die Jury hat mehr Zeit zu entscheiden, und das bei gleichbleibend reduzierter Teilnehmerzahl von 14, aber an drei Lesetagen, was das Publikum freut, da es nun schon um 15 Uhr zum Baden an den See kann, auch wenn das Wetter heuer sehr, sehr schlecht ist. Siehe auch unter: Überschwemmungen in Österreich.

Und Spinnen entschuldigt sich dann, was allerdings nach Winklers Rede vergleichsweise lahm klingt, spöttisch und ironisch bei Kritik und Publikum, den man es ja nie recht machen könne, und schließlich auch bei den vielen Schriftstellern, die nie eine Einladung nach Klagenfurt bekommen hätten und bekämen, warum auch immer. Auf einem anderen Blatt steht da, dass es in den vergangenen Jahren hinter vorgehaltener Hand von Seiten der Juroren immer mal wieder hieß, sie würden kaum anständige Texte bekommen, es sei schwierig, überhaupt Autoren und Autorinnen auszuwählen, die hier bestehen könnten. Doch so wie Winklers Rede vor allem auf die Kärtner Landespolitik zielt und ein mögliches Beben eher lokal begrenzt bleiben wird, so sind auch Spinnens Einlassungen vor allem eins: Klagenfurter Folklore, die einfach zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb dazu gehört.

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