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Ashely Fure dankt Dirigent Peter Rundel nach der Aufführung von "Bound to the Bow".

© Camille Blake

Maerzmusik-Festival: Albatrosse an der Donau

Das Maerzmusik-Festival ist zu Gast im Konzerthaus - mit den Werken dreier Komponistinnen, eines davon eine Uraufführung.

Der Saal ist halb leer? So ein Unsinn – der Saal ist halb voll! Zu sehen, wie viele Menschen sich für allerneueste Neue Musik interessieren, das hebt die Stimmung. Eine bunte Mischung ist am Donnerstag ins Konzerthaus gekommen, junge Aficionados neben neugierigen reifen Hörerinnen und Hörern, die man genauso am nächsten Tag bei einem Brahms-Konzert wiedersehen könnte. Eine Utopie scheint hier verwirklicht: dass Kunst nicht nur eine Schicht, sondern wirklich die ganze Gesellschaft zusammenbringen kann, wenigstens für zwei Stunden.

Maerzmusik-Chef Berno Odo Polzer hat offenbar reagiert auf die letztjährigen Vorwürfe, sein Festival würde sich in Performances und Lectures verlieren. Und setzt ein „richtiges“ Konzert mit großem Orchester an – das Konzerthausorchester unter Leitung von Peter Rundel – und Werken dreier Komponistinnen, live vom Deutschlandfunk übertragen. Mehr Bühne für Neue Musik geht kaum.

Flirrendes Streichertremolo, neue Klangeindrücke durch Tappsen auf den Harfencorpus oder Streichen der Saiten mit dem Frosch, dazu Elektronik: Ashley Fures „Bound to the Bow“, 2016 uraufgeführt, entwirft einen Zustand verdichteter Energie, die an- und abschwillt, bedrohlich, als sei da etwas gefangen, das raus will. Das legt zumindest der Erklärtext nahe: einen eingesperrten Albatros soll man assoziieren, nasse, fluguntaugliche Flügel, sinnloses Flattern.

Auf- und absteigende Tonhöhenlinien

Direkt im Anschluss eine Uraufführung, „Was there a Swan?“ von Juste Janolyte. Statischer, unbewegter als das Stück davor, mit sich kreuzenden, auf- und absteigenden Tonhöhenlinien, die Orgel (Martin Knizia) liefert einen Stich ins Schrille. Eine musikalische Repräsentation des Sternbilds des Schwans legt das Programmheft nahe. Es wird nicht ganz klar, ob die starke Ähnlichkeit beider Stücke gewollt ist. Beide sind Klangflächenwerke, die wie musikalische Entsprechungen von Elfriede Jelineks Textflächen wirken, beide sind von poetischen Texten inspiriert, in denen Vögel eine Rolle spielen, letztlich sind beide Programmmusik. Die Chance zum Kontrast ist vertan.

Den liefert Olga Neuwirth. Die Österreicherin ist eigentlich eine Spätestromantikerin, in „Clocks without Hands“ (2015) taucht sie tief ein in eine Erinnerung, die sie zugleich zu verlieren droht: der Großvater, den sie nur aus Fotos kennt, die Kindheit im sonnigen Licht der Donauwiesen. Ein Metronom tickt, aber nicht durchgehend, dazu reichlich Zitate: Marschmusikfetzen, Big Band, Hymne, ein Choral. Neuwirth riskiert deutlich mehr als ihre Kolleginnen, reizt das Physische des Klangs bis an die Grenzen aus. Zugleich erkundet sie die Ästhethik eines anderen Österreichers, Gustav Mahler (zu dessen 100. Todestag sie das Stück ursprünglich hätte schreiben sollen) und dessen 1. Symphonie – die übrigens das RSB am Sonntag ebenfalls im Konzerthaus aufführen wird. Nach einem sehr zurückblickenden Auftakt – Schwerpunktthema ist dieses Jahr „Geschichte“ – findet Maerzmusik mit diesem Konzert doch noch in die Gegenwart. Das Festival endet mit „The Long Now“ an diesem Samstag ab 19 Uhr, im Kraftwerk: 30 Stunden Musik, ohne Pause. Gegenwart kann eben manchmal richtig lange dauern.

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