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Im Kreise seiner Lieben. Max Liebermann und seine Kunst im Kaminzimmer der Wannsee-Villa, um 1927.

© MLG

Liebermanns Kunstsammlung: „Manet kann man nie genug haben“

Die Liebermann-Villa rekonstruiert die berühmte Kunstsammlung des Malers. Die Ausstellung zeigt auch, wie die Werke zur Raubkunst wurden

Über dem Kaminsims ein schwungvolles Schützenbildnis nach Frans Hals, neben der Salontür ein großes Reiterporträt von Manet, dazu kleinformatige Ölskizzen und ein Jagdstück seines Lehrers Carl Steffeck: Hausherr Max Liebermann richtete sich in seiner Wannseevilla inmitten einer prachtvollen Gemäldesammlung ein. Was der Maler liebte und schätzte, hängte er sich an die Wände, freundschaftlich durchmischt mit eigenen Arbeiten. Jetzt sind die Werke in Originalgröße als Schwarz-Weiß-Fotos in den Kaminsalon der Liebermann-Villa am Großen Wannsee zurückgekehrt. Ein Ullstein- Pressefoto von 1914 belegt: Genau so sah es hier einmal aus.

Seine wertvollsten Lieblingsstücke platzierte der Maler in seiner Wohnung am Pariser Platz, zwischen alten Möbeln und Perserteppichen. Rahmen an Rahmen hingen dort die Degas-Tänzerinnen, Monet-Landschaften, Cézanne-Äpfel und vor allem Manet – und immer wieder Manet. Max Liebermann erwarb Meisterwerke des französischen Impressionismus schon in den 1880er Jahren, lange bevor andere Deutsche auf den Geschmack kamen. Ihn begeisterte, wie Manet einen kleinen Korb mit Birnen oder ein schnödes Bündel Spargelstangen mit skizzenhaftem Strich in große Kunst verwandeln konnte.

Heute hängen Spitzenwerke aus Liebermanns Kollektion in europäischen und amerikanischen Museen. Die Sammlung wurde von den Nazis zerschlagen. Die meisten Originale konnte die Liebermann-Villa nicht als Leihgaben für die Ausstellung zurückholen. Aber ein Dutzend Zeichnungen und Gemälde sowie Großfotos und Dokumente vermitteln einen Eindruck davon, wie leidenschaftlich, eigensinnig und mit Gespür für Qualität der Maler sammelte. Und was später mit seinen Schätzen geschah.

Die verschlungenen und von dubiosen Händlern teils absichtlich verschleierten Wege der Kunstwerke nachzuzeichnen, ist eine Mammutaufgabe. Auf Initiative der Urenkelinnen des Malers begannen 2008 die Forschungen. Was jetzt ans Licht kommt, ist nur die Spitze eines Eisbergs. Aber in ihren Grundzügen und berühmtesten Stücken ist Liebermanns Kunstsammlung bereits fassbar. 254 Werke listet die Provenienzforscherin Monika Tatzkow im Katalog auf, nicht gerechnet Liebermanns eigene Arbeiten und mehrere tausend Grafiken, allein 3000 Blätter von Daumier, die der Künstler für Besucher gern mit leuchtenden Augen aus Schubladen hervorholte.

Vom Meisterzeichner Adolph Menzel trug Liebermann 50 Blätter zusammen. Eine handverlesene Auswahl füllte die Wand überm Sofa in der Wannsee-Villa. Auf einem der Blätter sieht man Menzels Schwager daheim am Flügel klimpern. Die stimmungsvolle Interieurstudie gibt einen Einblick in Menzels eigene Privatsphäre. Dieses Blatt gehört heute der Stiftung Oskar Reinhart in Winterthur. Der Schweizer Sammler hat es 1934 über einen vertrauten Kunsthändler von Liebermann erworben. Es war das erste Stück, das Liebermann unter dem Druck des NS-Regimes veräußerte.

Dem hochbetagten Maler war 1933 sofort klar, was ihm als jüdischem Bürger drohte. Seine kostbarsten Werke von Manet, Cézanne und Degas brachte er im Depot des Kunsthauses Zürich in Sicherheit. Er starb 1935. Seine Tochter Käthe Riezler ging mit ihrem Mann ins amerikanische Exil. Die von Repressalien zermürbte Witwe Martha nahm sich 1943 das Leben. Peu à peu hatte sie Stücke der Sammlung zu Schleuderpreisen verkaufen müssen oder gegen Naturalien getauscht, um überleben zu können.

Nach ihrem Tod beschlagnahmte die SS alles, was sich noch in der Wohnung befand. Einen Blechen und einen Menzel schickte man in das geplante Führermuseum in Linz. Der größte Teil verschwand unter ungeklärten Umständen. Nach 1945 tauchte manches im Kunsthandel wieder auf.

Wie diffizil die Aufarbeitung ist, zeigte sich bei der Ausstellungsvorbereitung. Erbitterte Streitigkeiten brachen im Forscherteam auf. Während Provenienzforscherin Monika Tatzkow mit den Liebermann-Erben zusammenarbeitet, wollte die Kunsthistorikerin Bärbel Hedinger die Restitutionsforderungen lieber ausblenden. Nun liegen zwei gewissenhaft recherchierte Konkurrenzpublikationen vor.

Oft belegt nur der Nachlassstempel auf Liebermanns eigenhändigen Werken, was ihm bei seinem Tod noch gehörte. Und heute als Raubgut zu gelten hat. Vier Menzel-Zeichnungen hat das Berliner Kupferstichkabinett letztes Jahr an die Erben restituiert. Sie waren 1937 von Martha Liebermann an das Museum verkauft worden. Das riesige Manet-Reiterbildnis aus dem Salon der Wannsee-Villa, 1936 veräußert, dagegen hängt noch immer in der Galleria d’Arte Moderna in Mailand. Das Museum weist Rückgabeforderungen bislang zurück.

Bis 4.3.2014, Liebermann-Villa, Colomierstr. 3, 14109 Berlin, Mi–Mo 11–17 Uhr, 24.12. und 31.12. geschlossen. Katalog: Verlorene Schätze. Die Kunstsammlung von Max Liebermann. Mit Beiträgen von Monika Tatzkow u. a., 296 S., Nicolai-Verlag 2013. Parallel dazu erschienen: Max Liebermann. Die Kunstsammlung. Von Rembrandt bis Manet. Hrsg. Bärbel Hedinger u. a., 316 S., Hirmer Verlag 2013.

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