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In Bayreuth gibt es nicht nur das Wagner-Festspielhaus. Bereits 1748 ließ Markgräfin Wilhelmine hier ein Opernhaus bauen.

© Armer/dpa

Premiere mit Hasses „Artaserse“: Markgräfliches Opernhaus in Bayreuth wiedereröffnet

Barocke Wunderkammer: Das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth wird nach sechsjähriger Sanierung wiedereröffnet - mit Hasses „Artaserse“.

Warum kleckern, wenn man auch protzen kann? In Bayreuth weisen seit einiger Zeit alle Schilder stolz den Weg zum „Welterbe Opernhaus“. Und nein, damit ist nicht das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel gemeint. Sondern das Markgräfliche Opernhaus im Stadtzentrum, das am Donnerstag nach sechsjähriger Sanierung wiedereröffnet wurde. Gefeiert hat die Stadt damit natürlich auch sich selbst. Bayreuth, auf ewig mit Richard Wagner verschweißt, sehnt sich nach einem zweiten Standbein, einer weiteren Attraktion, Manager würden sagen: einer Ausdifferenzierung des Portfolios. Eine Rolle, die das prunkvolle Markgräfliche Opernhaus übernehmen soll.

Wobei die Bezeichnung leicht in die Irre führen kann: Kein Markgraf, sondern eine Markgräfin war es, die mit diesem Bau Bayreuth geprägt hat wie nach ihr nur, nun ja, Richard Wagner: Wilhelmine von Preußen, Schwester Friedrichs II. und schillernde barocke Persönlichkeit. Sie malte und komponierte, schrieb Memoiren, korrespondierte mit ihrem Bruder und mit Voltaire, der sie in Bayreuth mehrmals besucht hat. Vor allem aber ließ sie 1748 von Giuseppe Galli Bibiena dieses Theater errichten, dessen Zuschauersaal seinesgleichen sucht. Es gibt in Deutschland nur eine Handvoll original erhaltener Barocktheater – denn sie wurden mit Kerzen erleuchtet und brannten meist ab. Diejenigen, die überdauert haben, das Schlosstheater Ludwigsburg, das Eckhof-Theater Gotha oder das Schlosstheater Sanssouci, wirken zurückhaltend und schlicht verglichen mit der überbordenden Pracht von Bayreuth. Wegen des vorzüglichen Erhaltungszustands und der unübertroffenen Größe – 40 Meter Saaltiefe, eine außergewöhnlich große Hinterbühne – ist das Haus seit 2012 Unesco-Weltkulturerbe.

Wer den Saal betritt und die verschwenderische Schönheit bewundert, die hölzernen Treppen, Ränge und Logen, das Gold, die Lichtspiele und die Illusionsmalerei, der verspürt Freude  und leichte Wehmut. Alles riecht so frisch und sauber, poliert, von allem Staub befreit. Auch vom Staub der Geschichte. 2011, im letzten Jahr vor der Sanierung, war das Erlebnis noch gänzlich anders. Man konnte sich einbilden, einen Raum zu betreten, der tatsächlich seit 1748 unverändert war, das trockene Holz riechen, die Polsterung, die schwere, aber nicht muffige Luft.

Der Lack zerstörte langsam das Holz

Was Einbildung war, denn tatsächlich sah man sich dem Zustand von 1935 gegenüber, dem Jahr der letzten großen Sanierung. Damals wurden schwere Fehler begangen, falsche Lacke und Insektenschutzmittel benutzt, wie Thomas Rainer erklärt. Er ist Museumsreferent bei der Bayrischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Trägerin des Hauses. Der Lack dunkelte nach, nivellierte alle Akzente. Vor allem aber drang er in die Tiefenschichten ein, das Holz wurde langsam zerstört. Für rund 30 Millionen Euro hat man jetzt behutsam saniert, originale Gebrauchsspuren sollten belassen werden.

Was geglückt ist, auch wenn sich die spezifische Aura nicht mehr einstellen mag. Dafür gibt es Sitze, die definitiv bequemer sind als im Festspielhaus, und eine moderne Hochdrucknebelanlage, die Feuer mit minimalem Wassereinsatz löscht. Außerdem wurde die Bühnenöffnung, die man 1819 um die Hälfte verkleinert hatte, auf ihre originale Größe zurückgeführt.

Durchs Foyer huscht Christian Thielemann. In einer Ecke unterhält sich Katharina Wagner, in der anderen Prinz Georg Friedrich von Preußen. Die Hälse aber recken sich alle nach Markus Söder, der seit seiner Zeit als Vorsitzender des CSU- Kreisverbands Nürnberg-West keine Kamera auslässt und jetzt die Festrede hält. Der bayrisch-preußische Gegensatz, behauptet der frischgebackene Ministerpräsident, habe zumindest für Franken nie gegolten, wofür Wilhelmine das beste Beispiel sei. „In Franken gab es auch vor 1806 Geschichte“ – Zucker für diejenigen, die den Anschluss an Bayern bis heute nicht verkraftet haben. Leutselig, von Herzen kommend klingt, was er sagt. Doch es heißt, er probe seine Auftritte stundenlang. Jetzt gibt er sich kulturliebend: „Ein Land braucht nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geistige Orientierung.“ Ob die ausgereicht hat, Söder auch zur Opernaufführung zu halten, ist unklar. Gesehen wurde er nicht mehr.

Die Inszenierung will viel und erreicht wenig

Was vielleicht eine gute Entscheidung war. Die Idee, das Opernhaus mit Studierenden der Münchner Theaterakademie August Everding wiederzueröffnen, hat Charme. Funktioniert hat sie nicht. Mit „Artaserse“ von Johann Adolf Hasse auf ein Libretto von Metastasio wurde das Theater 1748 unter anderem eingeweiht. Dass es eigentlich um einen antiken persischen Großkönig geht, kann man in der Inszenierung von Balázs Kovalik nicht ansatzweise nachvollziehen – weil sie mittels vieler Streichungen und Umstellungen die Geschichte der Schwester von Artaserse in den Mittelpunkt rückt, die niemand anderes sein soll als Wilhelmine von Bayreuth.

Es gibt sie doppelt, als junge Sängerin (Pauline Rinvet) und reife Frau, verkörpert von der Bayreuth-Ikone Anja Silja. Dass Silja nach Wieland Wagners Tod 1966 filmreif vom grünen Hügel verstoßen wurde, schwingt auch mit. Zu viel der Ebenen, zu viel gewollt, das Interesse an den Figuren und wen sie gerade darstellen, verliert sich: Ein klassisches Beispiel dafür, dass man gute Ideen auch loslassen können muss, wenn sie fruchtbar werden sollen. Vielleicht wäre es besser gewesen, eine neue Wilhelmine-Oper in Auftrag zu geben – oder einfach „Artaserse“ zu spielen? Immerhin, die Hofkapelle München und Michael Hofstetter setzt Hasses Musik trennscharf, beherzt um.

Etwas diffus wirkt noch die Planung der Schlösserverwaltung für die Zukunft. Das Haus soll schonend bespielt werden, aber nur im Sommer. Ein Gemischtwarenladen wie die Berliner Philharmonie, in dem Ensembles gastweise auftreten. Ein Theater, das wie das Opernhaus Sydney oder die Elbphilharmonie sich selbst genügt: Die Architektur ist der Star, was gespielt wird eher Nebensache. So oder so: Dass diese barocke Wunderkammer überhaupt noch existiert, ist schlicht ein Glücksfall.

Die Berliner Philharmoniker spielen ihr Europakonzert am 1. Mai im Markgräflichen Opernhaus. Liveübertragung um 11 Uhr in der ARD und auf RBB Kulturradio.

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