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© © Michel Majerus Estate, 2022. Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg Photo: Jens Ziehe

Michel Majerus im Kunstverein Hamburg: Vom Bildschirm auf die Leinwand

„Data Streaming“ im Kunstverein in Hamburg präsentiert den früh verstorbenen Künstler als Pionier digital inspirierter Malstrategien.

Von
  • Heiko Klaas
  • Nicole Büsing

Der am 6. November 2002 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene, aus Luxemburg stammende, aber in Berlin lebende und arbeitende Maler, Installations- und Konzeptkünstler Michel Majerus wird zur Zeit deutschlandweit mit einem nahezu festivalartigen Ausstellungsreigen geehrt. Das Epizentrum der Ausstellungsreihe „Michel Majerus 2022“ bildet dabei Berlin mit Präsentationen im Michel Majerus Estate, den Kunst Werken, der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst und der Galerie Neugerriemschneider. Daneben zeigen 13 Museen in ganz Deutschland ausgewählte Werke des Künstlers aus ihren Sammlungen.

Eine ebenso sehenswerte wie umfangreiche Präsentation, die den Berliner Ausstellungen an Relevanz keineswegs nachsteht, zeigt auch der Kunstverein in Hamburg. Unter dem Titel „Michel Majerus - Data Streaming“ sind dort Arbeiten aus dem Zeitraum zwischen 1996 und 2002, also den letzten Lebensjahren des Künstlers, zu sehen. Was diese auszeichnet, deutet bereits der Titel an.

Die für den Majerus-Style typische Mischung aus figurativen und abstrakten Elementen, Referenzen und Icons aus der Werbung und der Technokultur, kunsthistorischen Zitaten und ausufernder Leere wird in dieser Zeit zunehmend mit manipulativen digitalen Verfahren am Bildschirm vorformuliert. Majerus, der für seine ungezähmte Experimentierfreude bekannt war, hat sich dabei von Videospielen, Softwareprogrammen wie Adobe Photoshop oder populären Computeranimationen inspirieren lassen.

„Not much is thrown away because there really is no place to throw it.“ Dieses ebenso konsum- wie medienkritische Motto auf einem an eine Sitzbank erinnernden weißen Balkenobjekt fällt gleich am Eingang des Hamburger Ausstellungsparcours ins Auge. Majerus verwendete diese Aussage bereits 1999 in seiner damaligen Münchner Ausstellung.

Dem letztlich nur schwer zu bewältigenden Overflow an visuellen Zeichen und Kaufappellen, der uns alle jeden Tag aufs Neue herausfordert, hat sich Majerus geradezu heldenhaft entgegengestellt, indem er sich Teile davon einverleibte, sie durch den digitalen Fleischwolf drehte und mit malerischer Verve und gesellschaftskritischem Impetus auf die Leinwand schleuderte. Die Videospielfigur Super Mario trifft da auf die Logos von Ecstasy-Pillen, Reklamefragmente, gemorphte Gerhard-Richter- oder Piet-Mondrian-Zitate, Figuren wie Darth Vader oder Space Invaders.

Mit der Hilfe damals ganz neuer, aus heutiger Sicht einfacher Computerprogramme hat der zwischen High & Low, Post-Pop und Sampling agierende manische Bildersammler Majerus das im Netz, in Comics, in Kunstbänden, auf Buttons oder Stickern vorgefundene Bildvokabular auf der Leinwand collagiert, in kühne Schwünge versetzt, kugelförmig aufgeblasen, farbig variiert oder vielteilig reproduziert und multipliziert.

In der Hamburger Ausstellung treffen etliche für seine Arbeitsweise typische quadratische Leinwände im Format 60 mal 60 Zentimeter mit pointierten Motiven auf teils wandfüllende, komplexe Bildgefüge. Ganz am Ende des Parcours trumpft die  Schau mit der immersiven Installation „the space is where you’ll find it“ (2000) auf.

Die Betrachter:innen finden sich hier zwischen abgerundeten Wänden in einem Labyrinth großformatiger Computerausdrucke wieder, das in blassen Farben so unterschiedliche Icons wie Pril-Blumen, den RAF-Schriftzug oder die Teletubbies aufeinandertreffen lässt.   

Was den Besuch im Kunstverein in Hamburg zusätzlich attraktiv macht, ist auch die zweite Ausstellung, die parallel zu „Data Streaming“ im Erdgeschoss gezeigt wird. „Cory Arcangel - Flying Foxes“ versammelt eine Reihe aktueller Arbeiten des 1978 geborenen US-Amerikaners, die Majerus’ digitale Aneignungsstrategien kongenial in die 20er Jahre des 21. Jahrhundert überführen.

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