
© Ketterer Kunst
Der deutsche Auktionsmarkt zieht Bilanz: Mit wachsendem Tempo
Die Auktionshäuser setzen mehr auf Gegenwartskunst und die Sammler haben neue Ansprüche: eine Bilanz des deutschen Auktionsmarkts 2018.
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Der Kassensturz zum Jahresende fällt in den meisten deutschen Auktionshäusern positiv aus. Ein Plus verzeichnet zum Beispiel Lempertz in Köln mit insgesamt 30 Auktionen an den Standorten Köln, Brüssel, Berlin und Monaco und einem Gesamterlös von 72,2 Millionen Euro – im Vorjahr waren es 57 Millionen. Das Münchner Auktionshaus Ketterer Kunst mit Dependance in Berlin verbesserte sich von 49 Millionen Euro 2017 auf 52 Millionen Euro – gefolgt von Grisebach mit 51,8 Millionen Euro gegenüber 47,2 im Vorjahr. Auch van Ham in Köln verbesserte sein Ergebnis von 34 auf 37 Millionen Euro, Nagel in Stuttgart steigerte sich von 23 auf 27 Millionen Euro. Neumeister macht seine Bilanz wie üblich nicht öffentlich. Insgesamt handelt es sich um ein sehr erfolgreiches Jahr
Zwei der führenden Adressen haben dabei in letzter Zeit einen durchaus ähnlichen Veränderungsprozess durchlaufen. Ketterer Kunst und Grisebach waren ursprünglich auf Klassiker der Moderne spezialisiert, Ketterer seit seiner Gründung als Galerie 1954 in Stuttgart, Grisebach in Berlin seit seinem Start 1986. Beide haben sich inzwischen breiter aufgestellt und ihren Fokus in Richtung Gegenwartskunst verlagert, Ketterer in München, seit der Sohn Robert Ketterer das Auktionshaus 1994 von seinem Vater übernahm.
Bei Grisebach zog sich Gründer Bernd Schultz vor zwei Jahren aus der Führung zurück und übergab den Stab an Florian Illies. Der hörte im Sommer überraschend auf, er wird Rowohlt-Verleger. An seine Stelle trat die 30-jährige Diandra Donecker, die seit zwei Jahren die Fotoabteilung von Grisebach leitet. 2019 wird sie Leitende Geschäftsführerin und Partnerin, eine Funktion, die sie sich, wie schon Illies, mit Micaela Kapitzky teilt.
Von ihren Jahresbilanzen zeigen sich beide Häuser hocherfreut. „Damit konnten wir sowohl unser eigenes Spitzenergebnis des letzten Jahres um mehr als zwei Millionen Euro übertreffen, als auch unsere Führungsposition unter den deutschen Kunstversteigerern weiter ausbauen“, kommentiert Robert Ketterer. Das Gemälde „Herbstwolke, Friesland“ von Emil Nolde wurde für 1 687 500 Euro versteigert, ein Werk von Günther Uecker für 1 462 500 Euro. Und das schwarzweiße „Portrait Schniewind“ von Gerhard Richter kam für eine Million Euro unter den Hammer.
Grisebach kann mit der Auktion von Beckmanns "Ägypterin" auf einen Rekord zurückblicken
Wir sind positiv gestimmt und glücklich. Wir können auf zwei Rekorde für Deutschland zurückblicken, haben eine tolle Bieteraktivität mit vielen neuen Kunden. Es war ein richtig schönes, tolles, knackiges Jahr“, meint auch Diandra Donecker von Grisebach. Mit 5,5 Millionen Euro hatte Grisebach das Gemälde „Weiblicher Kopf in Blau und Grau (Die Ägypterin)“ von Max Beckmann im Frühjahr als bisher teuerstes Kunstwerk in Deutschland verkauft. Ein Fotogramm von László Moholy-Nagy erzielte mit 488 000 Euro den bislang höchsten Preis für eine einzelne Fotografie in Deutschland.
Bei der rückblickenden wie vorausschauenden Betrachtung des deutschen Auktionsmarktes sehen beide Häuser viele Chancen und Risiken. Die größten Herausforderungen in der Vergangenheit lagen sicherlich in der Umstrukturierung der Häuser hin zur Gegenwartskunst. „Der Markt für Werke der klassischen Moderne ist enger geworden“, beobachtet Micaela Kapitzky schon eine ganze Weile. „Aufgrund zweier Weltkriege und der fatalen Kunstpolitik der Nationalsozialisten ist vieles verloren gegangen. Was an herausragenden Werken überdauert hat, ist zum Großteil in Museen oder Privatsammlungen fest verankert.“
Trotzdem bleibt von dem Wenigen auch etliches liegen. „Es gibt einen Generationswechsel und damit einhergehend veränderte Vorlieben“, nennt Diandra Donecker als Grund hierfür. Auf der anderen Seite erzielen Spitzenlose Rekordsummen. „Wenn es uns gelingt, etwas Außergewöhnliches anzubieten, erzielen wir auch außergewöhnliche Preise. Beckmanns ,Ägypterin’ und das spektakuläre Fotogramm von Moholy-Nagy sind dafür wunderbare Beispiele“, meint Micaela Kapitzky.
Insofern ist der Gedanke naheliegend, den Schwerpunkt im Angebot zu verlagern. „Wir haben den Fokus früh auf die Gegenwartskunst gelegt und eigene Kataloge dafür produziert. Das hat uns recht schnell die Marktführerschaft in diesem Bereich beschert. Mittlerweile erzielen wir etwa 60 Prozent des Umsatzes damit“, beschreibt Robert Ketterer den Wandel.

© Lempertz
Die Globalisierung und das Internet sind die beiden anderen großen Veränderungen für den Markt. Veränderungen, die ebenfalls Chancen mit sich bringen. Während es bei Grisebach und Ketterer zum Standard gehört, dass bei den LiveAuktionen auch über das Internet geboten werden kann, veranstaltet Ketterer Kunst monatlich zusätzlich reine OnlineVersteigerungen. Dahinter steht laut Robert Ketterer eine bewusste Strategie: „Das Internet wird noch wichtiger werden. Wir bieten in unseren Internetauktionen Objekte bis zu 10 000 Euro spielend an, bald vielleicht bis zu 20 000 Euro. Vieles würden wir aus Kostengründen sonst gar nicht mehr machen. Auch bei den Live-Auktionen bieten viele Leute nur über das Internet.“
"Das Geschäft wird härter", sagt Robert Ketterer
Eine gewisse Herausforderung für die Häuser stellt auch das veränderte Sammlungsverhalten dar. „Sammler, die schon vor drei Jahrzehnten und sehr breit gesammelt haben, gibt es immer weniger“ konstatiert Robert Ketterer. „Heute wird vor allem für die Wand gesammelt. Konkret bedeutet das, dass wir viele Neukunden haben. Etwa 60 Prozent des Umsatzes machen wir mit Kunden, die wir erst seit zwei, drei Jahren kennen.“ Diandra Donecker von Grisebach beschreibt es so: „Der entscheidende Unterschied ist das Sammeltempo. Die Leute befinden sich mehr im Fluss, kaufen nicht mehr fürs Leben, sondern erwerben heute etwas, das sie vielleicht in zwei Jahren schon wieder abstoßen, dann kaufen sie etwas Neues.“
Im Auktionswesen weltweit steht Deutschland hinter den USA, China, England und Frankreich an fünfter Stelle. Wobei Micaela Kapitzky das Potential des deutschen Marktes mit einer gewissen Skepsis sieht. „Kulturgutschutz und die erhöhte Mehrwertsteuer sind erschwerende Rahmenbedingungen“, sagt sie, ergänzt jedoch: „Wir blicken trotzdem sehr zuversichtlich in ein aus unserer Sicht wachsendes Marktumfeld.“
Auch für Robert Ketterer birgt der deutsche Markt Vor- und Nachteile: „Das Geschäft wird härter. Der Markt strukturiert sich wie eine Pyramide, oben ist die Luft dünn, weil nur wenige Käufer 450 Millionen Dollar für ein Kunstwerk zahlen können. Wir befinden uns – im weltweiten Vergleich gesehen – in einem mittleren gehobenen Segment und haben dadurch eine breite Verkäufer- und Käuferschicht. Das dämmt das Risiko von hohen Verlusten ein.“ Im Jahr 2018 haben sich die Gegenstrategien erst einmal bewährt, fällt die Bilanz doch positiv aus, trotz der härter werdenden Bedingungen.
Angela Hohmann
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