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Was sicher ist: Der deutsche TV-Kanal der Deutschen Welle wird eingestellt.

© dpa/Wolfgang Kumm

Mitarbeiterversammlung bei Deutscher Welle: „Was tut die Geschäftsleitung?“

Die Einsparungen beim Auslandssender treffen die freien Beschäftigten hart. Und es wird wohl kein Zurück geben.

120 Minuten hat die Mitarbeiterversammlung der Deutschen Welle (DW) am Mittwoch gedauert, beinahe 1800 Beschäftigte haben daran teilgenommen. Es geht um viel beim deutschen Auslandssender, wenn es um dessen Zukunft geht. Nach der am Freitag bekannt gewordenen Aufgabenplanung 2022 bis 2025 kommt es zu Budget-Umschichtungen, Einsparungen beim Programm und zu einem Stellenabbau. Nach Angaben der Geschäftsleitung müssen die Einschnitte jetzt in Angriff genommen werden, damit ein für 2024 angenommenes Defizit abgefangen werden und die digitale Transformation fortgesetzt werden kann.

Was die Maßnahmen notwendig macht

Die Geschäftsleitung, die nach Teilnehmerangaben deutlich besser präpariert war als am Freitag, suchte die Mitarbeitenden mit einer umfassenden Powerpoint-Präsentation von der Notwendigkeit der Maßnahmen zu überzeugen. Erkennbar war, dass weitreichende Neuigkeiten nicht mitgeteilt wurden, sie aber besser vermittelt wurden. Die Geschäftsführung habe mehrfach betont, berichten Teilnehmern, dass die Einsparungen keine qualitativen, sondern ausschließlich strategische Gründe hätten. Allerdings wurde moniert, dass konkrete Fragen von der Senderspitze, komplett vertreten durch Intendant Peter Limbourg und vier Direktoren, nach anderen Einsparpotenzialen unbeantwortet blieben. Stimmung? Immer noch angespannt, aber nicht mehr von der am Freitag vorherrschenden Emotionalität geprägt.

Nach der mittelfristigen Finanzplanung wird die Welle 2023 über 406 Millionen Euro Mittel verfügen, der Zuwachs um sechs Millionen im Vergleich mit 2022 gilt als Sonderfinanzierung, weswegen 2024 wieder mit 400 Millionen Euro kalkuliert wird. Für das kommende Jahr wird die Welle aus eigener Kraft um 20 Millionen Euro nach unten schrauben müssen. Für nicht wenige fängt da die Kritik an: Die DW-Geschäftsleitung habe die Welle sehenden Auges in die Unterdeckung geführt, die entsprechenden Gegenmaßnahmen seien zu spät und dann zu spät eingeleitet worden.

Ein Mitarbeiter berichtete, dass schon am 17. Mai 2021 in einem virtuellen Management-Meeting die Projektion der Finanzsituation in den kommenden Jahren vorgestellt worden sei. Danach sei für das Jahr 2024 ein Defizit zwischen 17 und 27 Millionen Euro vorausgesagt. Die drohende Unterfinanzierung sei demnach lange bekannt. Statt frühzeitig unter Einbeziehung der Belegschaft und Belegschaften zu reagieren und Investitionen zurückzustellen, habe die Geschäftsführung weiter Geld ausgegeben. In der Mitarbeiterversammlung wurde der Vergleich mit der Privatwirtschaft gezogen, wo ein solches Verhalten einer Insolvenzverschleppung gleichkäme.

Tatsache ist, dass der Auslandssender seit dem Amtsantritt von Peter Limbourg 2013 ein Einnahmeplus von 120 MIllionen Euro verzeichnen konnte. Die aus Steuermitteln finanzierte Deutsche Welle war, applaudiert von Bundesregierung und gestützt von weiten Teilen des Bundestages, auf Wachstumskurs. Die treudeutsche Welle sollte endlich mit den globalen Playern wie CNN, BCC, Russia Today mithalten können. Auslandsstudios (mittlerweile sechs), Korrespondentenbüros (derzeit acht) wurden etabliert - auch diese Zahlen ein Kritikpunkt in der Versammlung. Die Mitarbeiterzahl der Welle an den Standorten Bonn und Berlin wuchs auf 3400 Kräfte, zur Hälfte festangestellt, zur Hälfte in freier Beschäftigung.

Wer wusste was und wann und wer steuerte dagegen? Die Senderspitze beharrt auf rechtzeitigem Handeln, die Prognose 2024 sei bereits im Dezember 2022 durch die Geschäftsleitung im Sinne von „Be prepared“ beauftragt worden. Tatsächlich hat die Welle noch keinen Haushalt für 2024, da der Eckwertebeschluss für den Bundeshaushalt verschoben worden sei. So kenne die verantwortliche Claudia Roth, die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, bis heute nicht, über welche Mittel sie wird verfügen können.

Bei der Versammlung wurde deutlich, dass sich die Welle nicht darauf versteifen sollte, mit weiteren Steuermitteln ihre Unterdeckung beheben zu können. Programmdirektorin Nadja Scholz habe vorher in Meetings mit verschiedenen Abteilungen zu verstehen gegeben, dass der angekündigte Stellenabbau selbst dann nicht zurückgenommen würde, falls der Bund wider Erwarten doch mehr Geld geben und das Defizit geringer ausfallen sollte.

75 Prozent des Etats fürs Personal

Apropos Stellenabbau. Der Etat der Welle geht zu 75 Prozent in Personalaufwendungen und zu 25 Prozent ins Programm. Bei den Personalkosten machen die Honorare 38 Prozent aus. Hier fährt die Axt rein. Ein DW-Sprecher nennt 120 betroffene Stellen, andere sprechen mit Blick auf Teilzeitbeschäftigung von 300 betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Auf jeden Fall sind die einzelnen Direktionen jetzt angehalten, die Einsparvorgaben umzusetzen.

Für den 31. März ist eine weitere Mitarbeiterversammlung angesetzt. Die Personalvertretungen werden einladen - und dabei die Senderspitze bewusst übersehen. Und für nicht wenige in der Belegschaft bleibt die Frage unbeantwortet, wie sie auf einer Folie stand: „Was tut die Geschäftsleitung für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen?“

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