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Der Eingang zur Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

© dpa/Axel Heimken

Münchner Lach- und Schießgesellschaft: Opfer des eigenen Narzissmus

Die legendäre Lach- und Schießgesellschaft ist bankrott. Verantwortlich dafür sind die aufgeblähten Egos der Münchner Kabarett-Szene.

Die Werbeplakate für die letzten Auftritte hängen noch in den Fenstern im Erdgeschoss des Hauses in der Schwabinger Ursulastraße. Doch an der Tür ist ein Zettel aufgeklebt: „Der Spielbetrieb ist bis auf weiteres eingestellt.“ Zwei der drei Gesellschafter - der Kabarettist Bruno Jonas und die Konzertveranstalterin Laila Nöth - haben beim Amtsgericht München Insolvenz angemeldet. Die legendäre Münchner Lach- und Schießgesellschaft, von vielen nur „der Laden“ genannt, ist pleite. 

Finden sich nicht neue Macher und Geldgeber, dann war es das mit dieser sehr kleinen Kleinkunst- und Kabarettbühne, die einst einen sehr großen Ruf in der ganzen Republik hatte. Gegründet worden war die „Lach und Schieß“ im vorsintflutlichen Jahr 1956 von dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt sowie dem Regisseur, Autor und lebenslangen BR-Sportreporter Samy Drechsel. Drechsel verstarb schon 1986 mit 60 Jahren, Hildebrandt 2013, er wurde 86.

Das Kabarett war eine Institution, weil es ebenso kunstvoll wie scharf die die bundesrepublikanische Politik seziert hatte. Nicht nur im Zweifel schlug das Herz links. Hildebrandt wurde Oberhäuptling. Muss man nun für die Lach- und Schießgesellschaft ein paar Tränen verdrücken? Das Wohnzimmerformat mit nur 100 Zuschauerplätzen hat seine schönste und beste Zeit schon lange hinter sich. Es reicht nicht, sich immer nur auf den Säulenheiligen Hildebrandt zu berufen.

Der Fall dieser Schwabinger Einrichtung zeigt, wie sich Platzhirsche der Kleinkunstszene gegenseitig das Leben zur Hölle machen und so nebenbei auch die „Lach und Schieß“ ruinieren. Sie kennen sich schon länger, als es gut gewesen wäre, und sie hassen sich. Die Geschichte erinnert an eine etwas inzestuöse Familienaufstellung.

18 Jahre lang leitete der Münchner Kleinkunst-König Till Hofmann (52) auch die Lach- und Schießgesellschaft, 2021 hörte er schlagartig auf. Der Grund: Es gab Krach mit Bruno Jonas. Der heute 70-jährige Kabarettist wird häufig als Mensch mit einem, sagen wir, großen Ego beschrieben. Als einer, der andere auf Augenhöhe nicht erträgt.

Trennung vom einzigen Profi

Dann mal rein in die Beziehungskiste des sehr humorarm agierenden Laden-Personals: Gesellschafter war einst neben Jonas und Hofmann auch der Münchner Konzertveranstalter Wolfgang Nöth. Nachdem dieser gestorben war, ging sein Anteil an Tochter Laila Nöth, 28 Jahre alt. Jonas zog Nöth, so die Annahme, auf seine Seite gegen Hofmann. Mit diesem warf man den einzigen über Bord, der professionell etwas von Kulturmanagement versteht.  

Zum neuen Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer wurde Stefan Hanitzsch (46) gemacht. Wichtig ist dessen Vater: Dieter Hanitzsch, 89 Jahre alte Karikaturisten-Legende, der lange für die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) gezeichnet hatte. Hanitzsch und Dieter Hildebrandt wiederum waren Best Friends. So schließen sich Kreise. 

Hanitzsch junior war aber offenbar überfordert mit der Lach und Schieß. Jonas lässt per Anwalt erklären: „Der Versuch eines Neubeginns … ist unternehmerisch und persönlich gescheitert.“ Hanitzsch sei abberufen worden – „aus Gründen“.

Sie kommunizieren nur über ihre Rechtsvertreter, in SZ-Interviews beschimpfen sie sich aber gegenseitig und geben Ratschläge. Jonas sagt, er sei von Hofmann hintergangen worden. Die Besetzung mit Hanitzsch wiederum sei „ein großer Fehler“ gewesen. Hanitzsch sagt, er sei weiterhin bereit, Verantwortung zu übernehmen. Hofmann fordert Jonas auf, als Zugpferd mal einige Wochen lang selbst auf die Bühne zu steigen – dann sei das finanzielle Problem gelöst.

Die - unbeteiligte - Kabarettistin Luise Kinseher analysiert, „die Mischung aus Narzissmus und Dilettantismus“ sei wohl „keine gute Idee“ gewesen. Und ein Vermittlungsgespräch des Münchner Kulturreferenten Anton Biebl mit den Beteiligten blieb erfolglos. Der Name „Lach- und Schießgesellschaft“ war übrigens eine Verballhornung der „Wach- und Schließgesellschaft“. Jetzt ist der Laden in der Ursulastraße abgeschlossen.                

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