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Kultur: Nach Kirchner

Raubkunst & Restitution: eine Bundestagsanhörung

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Am Ende gab es dann doch fast Tumulte bei der öffentlichen Anhörung zum Thema NS-Raubkunst im Kulturausschuss des Deutschen Bundestags. Von „Begehrlichkeiten“ hatte Lutz von Pufendorf, Rechtsanwalt und Vorstand des Fördervereins des Berliner Brücke-Museums, gesprochen, Begehrlichkeiten, die man durch die Veröffentlichung von Raubkunst-Verdachtfällen gar nicht erst wecken wolle. Eine gefährliche Sprachfalle: Unterstellt sie doch Nachkommen jüdischer Sammler und den sie beratenden Anwälten Profitgier als Hauptmotiv. Und lässt die deutschen Museen, die sich mit Forderungen nach der Restitution von Hauptwerken der Sammlung konfrontiert sehen, als Opfer dastehen.

Das Gegenteil ist der Fall: „Die deutschen Museen waren in der NS-Zeit Teil des Systems“, so Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und pocht auf die moralische Verpflichtung, sich dieser Geschichte zu stellen. Auch Georg Heuberger, Vorsitzender der Jewish Claims Conference, spricht davon, die Museen seien „aktive und passive Nutznießer des NS-Kunstraubs“ gewesen. Doch eine grundlegende Überprüfung der zwischen 1933 und 1945 erworbenen Werke habe vielerorts nicht stattgefunden, so der allgemeine Tenor der acht zur Anhörung geladenen Experten. Umfassende Provenienzforschung, wie von der Washingtoner Erklärung von 1998 gefordert und in anderen Ländern längst umfassend betrieben, gebe es in Deutschland derzeit kaum. Und die Museen selbst seien dazu finanziell und personell kaum in der Lage.

Hier eine zentrale Stelle zu schaffen, an die sich die betroffenen Institutionen wenden könnten, wurde allgemein gefordert. Ob eine solche Stelle bei der existierenden, aber nicht selbst recherchierenden „Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg“ oder besser beim Deutschen Museumsbund oder beim Bundesamt für offene Vermögensfragen angesiedelt werden solle, war noch unklar.

Die Kritik und Misstöne im Fall Kirchner dürften jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die überwiegende Zahl von Restitutionsbegehren einvernehmlich und im „fairen und gerechten“ Austausch vonstatten ging, so Klaus-Dieter Lehmann, der sich für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz seit 1999 für umfassende Restitutionsverhandlungen eingesetzt hat– mit überwiegendem Erfolg. Im Gegenteil: Es seien oft „sehr bewegende Verhandlungen“ mit den Nachkommen der einstigen Eigentümer gewesen, so der Stiftungspräsident. Diese Einzelfälle, diese Einzelschicksale ernst zu nehmen, sei ein wesentlicher Teil der Erinnerungsarbeit. Als solchen sollten ihn auch die Museen begreifen.

Christina Tilmann

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