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Neue Stipendiaten in der American Academy: Gewalt und Gerechtigkeit

Die Arbeit am Wannsee wird immer wichtiger für das deutsch-amerikanische Verhältnis in schwierigen Zeiten. Ein große Spende für jüdische Studien macht Hoffnung.

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Nie war die Arbeit der American Academy bedeutsamer als heute. Das war der rote Faden, der sich am Montagabend durch die Präsentation der neuen Stipendiaten im Hans Arnhold Center am Wannsee zog. Daniel Benjamin, der Präsident der Academy, rief eindringlich dazu auf, noch mehr über gemeinsame Werte zu sprechen und über die Mechanismen der Demokratie.

Zuvor hatte er zurückgeblickt auf die Anfänge der Academy, die als neue Tradition im Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern nach dem Abzug der Alliierten aus Deutschland dienen sollte, als Ort für einen bedeutsamen, interdisziplinären intellektuellen Austausch.

Anschließend beschrieb der frühere Staatssekretär und Botschafter a.D. Wolfgang Ischinger die wesentliche Aufgabe der Diplomaten, die darin bestehe, genau zuzuhören und Situationen realistisch einzuschätzen. Er erinnerte daran, wie zur Zeit der Teilung des Landes die hier stationierten US-Soldaten nach ihrer Rückkehr in die Heimat zu Botschaftern für Deutschland wurden.

Selbst wenn es während der Amtszeit von Donald Trump einige Enttäuschungen im Verhältnis gegeben habe, seien die USA als Partner für Europa nie wichtiger gewesen als heute, da es zum ersten Mal einen Krieg in Europa gebe, in den eine Atommacht involviert ist.

Wie Gewalt funktioniert

Ohne den transatlantischen Partner, der als Atommacht Schutz gäbe, wisse er nicht, „wo wir heute wären“. Vor diesem Hintergrund gewinne der ursprüngliche Zweck der American Academy immer mehr an Bedeutung, auch im Hinblick auf China. „Wir brauchen die engste denkbare Verbindung mit den USA.“ Das gelte nicht nur in politischer, sondern auch in sozialer und kultureller Hinsicht.

Holtzbrinck-Fellow David Treuer ist Englisch-Professor an der University of Southern California. Seine Zeit in Berlin will der Sohn eines österreichischen Holocaust-Überlebenden und einer amerikanischen Ureinwohnerin einem Essay über die Gewalt in Amerika widmen: „The Savage Mind“.

Es soll ein sehr persönlicher Text darüber werden, wie er die Fähigkeit verloren hat, sich in seinem eigenen Land wohlzufühlen. Er will der Textur von Gewalt nachspüren, den Fragen, wie sie funktioniert, wie sie ausbricht, wie man sie disziplinieren und am Ende vielleicht heilen kann.

Gerechtere Wahlen

Joshua Sellers will der Frage nachgehen, wie das amerikanische Wahlrecht gerechter werden kann, wie die Forschung dazu beitragen kann. Es gehe darum, wie die Staaten das Wahlrecht für wirklich alle Bürger garantieren können und welche Formen von Wahlrechtsreform am wahrscheinlichsten funktionieren können. In seinem Buch „The Law of Democracy and Racial Equity“ will er auch Wahlstrukturen und Praktiken vor dem Hintergrund der Rassengleichheit untersuchen.

Alexander Rehding, Musikprofessor an der Harvard-Universität erforscht, was für eine positive Rolle Musik bei der Lösung des Klimawandel-Problems haben kann. Schließlich gebe es eine lange Tradition in der Beziehung zwischen Natur und Musik. So wie manche Musik erst viel später gehört werde, gehe es beim Klimawandel auch darum, sofort etwas zu ändern, obwohl die Konsequenzen erst in Jahrhunderten spürbar würden.

Bei den Kurzvorstellungen entfaltete sich ein intellektuelles Feuerwerk, das neugierig machte auf die ausführlichen Vorträge, die die Stipendiaten später zu ihren Projekten halten werden. Mary Elise Sarotte wird sich der europäischen Partnerschaft mit Russland widmen, Alma Steingart von der Columbia Universität beschäftigt sich damit, wie verwoben Mathematik und Demokratie miteinander sind.

Vater der Lügen

Ying Zhang blickt zurück auf das China der Ming Dynastie und die Praktiken der Inhaftierung, um das heutige China besser verstehen zu können. Alexandra Creiteh will mit geflüchteten Schauspielern und Künstlern arbeiten und ihren ersten Roman beginnen, der in Syrien spielt.

Jackie Murray erforscht das Bild der Sklaverei im alten Griechenland, und Suzanne L. Marchand widmet sich Herodot als dem „Vater der Geschichte“ und „Vater der Lügen“. Claudia Rankine schließlich widmet sich zwei erhaltenen Konversationen zwischen dem Schriftsteller James Baldwin und der Dichterin Audre Lorde, in denen es um die Perspektive des eigenen Todes geht.

Mit einer erfreulichen Nachricht konnte Daniel Benjamin die Präsentation beschließen. Die langjährige Direktorin des Leo Baeck Instituts, Carol Kahn Strauss, spendet der Academy 2,4 Millionen Dollar, um ein Stipendium für Jüdische Studien zu ermöglichen. Das Stipendium solle für immer ihren Namen tragen, kündigte er an. Die Academy sei ideal geeignet als Brücke für jüdische Studien auf beiden Seiten des Atlantiks.

Er sei außerordentlich dankbar für diese Spende, da es nachgewiesenermaßen einen großen Bedarf für ein solches Programm gebe. Carol Kahn Strauss erklärte in dem Zusammenhang, dass das bemerkenswerte deutsch-jüdische Erbe, das ihre Eltern, Großeltern und ihr Mann auf sie übertragen haben, ihrem Herzen sehr nahe sei. So gab es doch noch ein großes Zeichen der Hoffnung, nachdem anfangs vor allem die erschreckenden Herausforderungen der Zeit beschworen worden waren.

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