
© STEFANIE LOOS
Neue Wege im Konzertbetrieb: Kurz und gut
Näher, liebe Klassik, zu dir. Zu den Lunch-, Mittendrin- und Kabarettformaten in Berlin gesellt sich jetzt der „Ausklang“ der Philharmoniker. Eine Stunde Symphonisches, dann ein Foyer-Plausch mit den Musikern.

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Raus aus dem Trott, her mit den unkonventionellen Programmen: Spätestens in der Zwangspause der Pandemie, als angeblich alle Welt alle ihre Routinen kritisch überdachte (um dann, nur ein Beispiel, flugs zur Vielfliegerei zurückzukehren), geriet auch der Klassikbetrieb einmal mehr auf den Prüfstand.
Wo bitte steht geschrieben, dass ein Konzert um 20 Uhr beginnen und gut zwei Stunden dauern muss, mit einer Pause in der Mitte?, lautete die notorische Frage. Innovative Formate, was für eine olle Kamelle angesichts der ohnehin mobilsten, volatilsten aller Künste, so die notorische Gegenfrage. Wo bitte steht geschrieben, dass die ungestörte analoge Konzentration auf eine XXL-Symphonie von Bruckner oder Mahler nicht gerade jetzt der neue heiße Scheiß ist, als Antidot zu den schrumpfenden Aufmerksamkeitsspannen im Digitalzeitalter?
Dass der Streit zwischen Traditionalisten und Revoluzzern um einen New Deal in der Klassik sich eigentlich erübrigt, zeigt ein Blick in den Berliner Musikkalender. Da gibt es in Sachen Publikumsnähe so gut wie nichts, was es nicht gibt. Das DSO setzt neben den Casual Concerts und den Notturno-Konzerten seine Kabarettreihe im Schlossparktheater fort, mit dem schönen, grammatisch leicht knirschenden Wortspiel-Titel „Die Kunst der Unfuge“. Im Konzerthaus unternimmt Joana Mallwitz weiter ihre Expeditionskonzerte, junge Musiker:innen spielen nachmittags zum Espresso, und im November können Klassikfans wieder „Mittendrin“ sitzen, mitten im Orchester, während es Mozart spielt.
Ob Symphonic Mobs in der Berlin Mall, Staatsoper für alle oder Händels „Messias“ im Flughafen-Hangar: Trotz der Experimentierfreude ist das Angebot an althergebrachten „Sitzkonzerten“ in den Musiktempeln der deutschen Klassik-Hauptstadt nicht kleiner geworden. Es wird nur inzwischen von einem sichtlich diverseren Publikum frequentiert. Das Alte und das Neue beleben sich gegenseitig.
Fast wundert man sich deshalb darüber, dass die Berliner Philharmoniker erst jetzt abendliche Kurzkonzerte einführen, wie sie im Konzerthaus bereits existieren. „Ausklang“ heißt das Format, das an diesem Freitag um 19 Uhr erstmals zu erleben ist. Eine Stunde Busonis Klavierkonzert mit Männerchor, danach geht’s ins Foyer, zu einer Prise Kammermusik samt Get-together mit den Musikern. Ein Getränk ist im Ticket inbegriffen.
Auf ein Freibier mit den Philharmonikern! Die volle Dröhnung – Busoni plus Debussy plus Bezahl-Pausensekt – gibt’s am Tag zuvor, und nochmal am Samstag.
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