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Peter (Tom Holland) gerät bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen in Erklärungsnot.

© Sony

Neuer "Spider-Man" im Kino: Superheld auf Klassenfahrt

Zerreißprobe in Europa: In „Spider-Man: Far From Home“ kämpft der Fassadenkletterer gleich an mehreren Fronten.

Peter Parker hat in seinem jungen Leben schon einiges mitgemacht. Er sah in kurzer Zeit zwei „Spider-Man“-Darsteller kommen und gehen, musste den Tod seines Onkels Ben mitansehen, er wurde in den Weltraum geschossen, im Finale von „Avengers: Infinity War“ mit der Hälfte der galaktischen Bevölkerung zu Staub geschnipst und verlor im Kampf gegen den Titanen Thanos seinen Mentor Tony Stark. Wie lässt sich das noch toppen? In "Far From Home", seinem zweiten Solofilm im Avengers-Zyklus, kehrt er buchstäblich wie Phoenix aus der Asche zurück. Und hinein in eine Welt, die sich nach Thanos’ Fingerschnips und der erfolgreichen Zeitreise der Avengers verändert hat.

Sehr verändert hat. Nach dem Tod von Iron Man Tony Stark muss Peter den Verlust einer weiteren Bezugsperson verarbeiten. Der bodenständige Superheld muss wieder lernen, sich allein in der Welt zu behaupten. Dieser „Vater-Komplex“ zieht sich wie ein roter Faden durch seine Geschichte. „Spider-Man: Far From Home“ muss zunächst aber noch ein paar andere Lücken schließen, zum Beispiel die absurden Folgen der fünfjährigen Abwesenheit der halben Weltbevölkerung. Am Anfang begrüßt Spider-Man im Obdachlosenasyl die Rückkehrer der Katastrophe, dem sogenannten „Blip“: Ihre Wohnungen sind inzwischen neu vermietet. Auch in Peters Schule hat sich viel verändert, manche Mitschüler sind nach fünf Jahren kaum widerzuerkennen. Zurück aus dem Weltraum, hinein in den Alltag eines New Yorker Teenagers: „Far From Home“ gelingt der Sprung, auch dank des marvel-typischen Spiels mit Genres. Der zweite Soloauftritt von Tom Holland verknüpft auf originelle Weise Superheldenaction und Highschool-Komödie. Denn Spider-Man befindet sich auf Klassenfahrt in Europa.

Liebesgrüße vom Eiffelturm

Der Schulausflug kommt ihm nach seinem letzten Großeinsatz ganz recht. Mit dabei sind auch: sein bester Freund Ned (Jacob Batalon), der herrlich fiese Parker-Neider Flash (Tony Revolori), vor allem aber seine Angebetete MJ (Zendaya), der er endlich seine Gefühle beichten will. Und gibt es dafür einen besseren Ort als den Eiffelturm?

Täuschen und getäuscht werden ist in „Far From Home“ für den pubertierenden Superhelden die zentrale Bedrohung. Als Peter in Venedigs Lagunen ein Wassermonster, einen „Elemental“, bekämpft, trifft er auf den undurchsichtigen Mysterio (Jake Gyllenhaal), den S.H.I.E.LD.-Anführer Nick Fury (Samuel L. Jackson) rekrutiert hat, um mal wieder die Welt zu retten. Mysterio wird zu einer Art großen Bruder für Peter, der von der Bürde, die Iron Man ihm auferlegt hat, eindeutig überfordert ist: Auf der Fahrt durch die Alpen löst er versehentlich sogar einen Drohnenangriff auf seinen Reisebus aus.

Freiheitsdrang und Pflichtbewusstsein

Seine Überforderung von der großen Verantwortung, die sich – und die Spider-Man-Filme werden nicht müde, dies zu betonen – aus der Superheldenkraft ergibt, macht „Far From Home“ zum Sinnbild des Erwachsenwerdens. Zwischen Freiheitsdrang und Pflichtbewusstsein, Zuneigung und Misstrauen, der Suche nach Wahrheit und ihrer allgegenwärtigen Illusion. Die erlebt Peter gleich in doppelter Hinsicht: als Vertrauensbruch eines Verbündeten sowie in einer vorgetäuschten Realität. Spider-Man stellt beim Besuch der S.H.I.E.L.D.-Zentrale in Berlin fest, dass er tatsächlich in einer Simulation gefangen ist, in der er an rasant wechselnden Schauplätzen plötzlich um sein Leben kämpfen muss – unter anderem gegen sich selbst. Der Film bekommt in dieser Sequenz eine albtraumhafte Stimmung. Auch im Outfit seines Alter Egos Night Monkey, seiner Tarnidentität auf der Reise durch „Old Europe“, wirkt Spider-Man deutlich düsterer. Und sieht dabei noch verdammt cool aus.

Tom Holland ist in seine zerrissene Figur mittlerweile hineingewachsen: den unsicheren Jugendlichen, der auch mal scheitern darf, und den Superhelden, der sich Netze schießend mit atemberaubender Athletik durch die Straßenschluchten schwingt. Aber auch Teen-Idol Zendaya bekommt als sein Sidekick MJ endlich etwas mehr Raum, um mit ihrer kaltschnäuzigen, notorischen Art zu glänzen. Streitkolbenschwingend und mit spitzem Humor setzt sie sich in ihrer Rolle noch stärker vom Klischee der Jungfrau in Not ab. Marvel spinnt den Bildungs-Comicroman mit „Far From Home“ geschickt weiter, wechselt zwischen CGI-Gewittern und Coming-of-Age-Humor, ohne sich in Kitsch und Klamauk zu verheddern. Nach dem selbstreflexiven „A New Universe“ beweist das Studio erneut, dass Spider-Man zu den wandlungsfähigeren Superhelden gehört.

- Ab Donnerstag in den Kinos

Jakob Wittmann

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