
© Michael Bodiam
Neues Album von FKA Twigs: Euphorie auf der Tanzfläche
Mit ihrem dritten Album „Eusexua“ entdeckt FKA Twigs den Club für sich. Die britische Musikerin verwebt darin Hedonismus mit Sehnsucht und düsteren Sounds.
Stand:
So ein Clubbesuch kann ja durchaus lebensverändernd wirken. Wer zum ersten Mal in einer brutalistischen Betonruine die Nacht durchtanzt, spürt im Bann der Bassdrum, wie sich eine magische Energie entfaltet.
Für Berlinerinnen natürlich eine Binsenweisheit, aber die britische Sängerin, Songwriterin, Tänzerin und Choreografin FKA Twigs hat diese Erfahrung erst kürzlich gemacht.
Das behauptet Tahliah Barnett, wie FKA Twigs bürgerlich heißt, zumindest jetzt vor der Veröffentlichung ihres dritten Albums „Eusexua“, das am Freitag erscheint.
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Bei den Dreharbeiten zum gnadenlos gescheiterten „The Crow“-Remake von Rupert Sanders, in dem sie als weibliche Hauptrolle leider aussichtslos gegen ein katastrophales Skript und einen charismabefreiten Protagonisten anspielte, besuchte sie die Technobunker des Drehorts Prag und verliebte sich dort in den Sound und die Praxis des Ravens (Rainald Goetz dürfte sie eher nicht gelesen haben).
Das Resultat: elf Tracks, die sich tatsächlich sehr gut auf dem Mainfloor des Berghains oder Tresors machen würden.
Nicht ohne Grund kollaborierte die 37-jährige Musikerin für dieses Album unter anderem mit Größen der elektronischen Szene wie der US-amerikanische Experimentalmusikerin Eartheater, dem italienisch-amerikanischen DJ und Produzenten Anyma, dessen Karriere als eine Hälfte des Duos Tale of Us in Berlin begann, oder dem britischen DJ und Produzenten Koreless, der den charakteristischen Beat der Single „Drums of Death“ direkt bei einem Set im Berghain getestet und aufgenommen haben soll.
Mit ihrem 2022 veröffentlichten Mixtape „Caprisongs“ hatte sich FKA Twigs zu artifizieller Popästhetik und Hedonismus hingewendet. Der Hedonismus ist geblieben (dazu später mehr), ihr Pop aber wird wieder experimenteller.
In diese Verbindung aus Pop und transgressivem Sound hatten sich Fans und Kritik schon 2012 bei ihrem ersten Minialbum „EP 1“ verliebt. Das zwei Jahre später veröffentlichte Debütalbum „LP 1“ brachte der in Gloucestershire geborenen und mit 17 nach London übergesiedelten Musikerin eine Nominierung für den Mercury Prize ein.

© Jordan Hemingway
Wobei sich die Frage stellt, ob Experimentalmusik nicht schon längst im Herzen der Popmusik angekommen ist: Erst kürzlich kollaborierte etwa TikTok-Sternchen Addison Rae mit der venezolanischen Undergroundgröße Arca, die Karriere von Grimes zieht eine direkte Linie aus obskuren studentischen Kellerclubs im kanadischen Montreal auf die größten Bühnen der Welt (und an die Seite ihres Expartners Elon Musk).
Raves und Clubs als Referenzort sind schon mit Beyoncés Album „Renaissance“ 2022 und noch einmal ganz besonders vergangenes Jahr mit Charlie XCXs „Brat“ wieder in die Mitte des Popdiskurses gerückt.
In Städten wie Berlin, Amsterdam oder Las Vegas sind Techno und Clubkultur schon seit geraumer Zeit Mainstreamkultur und Wirtschaftsfaktor – so sehr, dass etwa auch Saudi-Arabien bei deutschen Clubkulturunternehmern anklopft, um deren Wissen auf die arabische Halbinsel zu importieren.
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Lust auf Exzess, auf Gegenwärtigkeit, auf Hedonismus regieren also weltweit. Das kann einerseits eine Reaktion auf die sozialen Entbehrungen der Pandemiejahre sein, andererseits aber auch auf die Überforderung einer von Polykrisen gekennzeichneten Gegenwart. Ist das schon der Tanz auf dem Vulkan, der auch in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts regierte?
Wenn dem so ist, liefert FKA Twigs jedenfalls einen angemessen Soundtrack dazu, der irgendwo zwischen Sehnsucht, Düsternis und Hoffnung schwebt. Grob dem Verlauf einer Clubnacht nachempfunden, erkundet die Sängerin emotionale Höhen und Tiefen und sogar eine hoffnungsvolle Afterhour, gespickt mit Referenzen auf den Sound der Neunziger und frühen Zweitausender.
„Girl Feels Good“ etwa erinnert an Madonnas „Ray Of Light“, das von dem hyperactiven Hyperpop-Duo 100gecs produzierte „Striptease“ bezieht sich auf den Triphop von Massive Attack und Co, allerdings mit einem Beat, der eindeutig in die 2020er gehört. Und sogar die achtziger Jahre spielen auf „24hr Dog“ mit, mit einer Gitarre, die an „How Soon Is Now?“ von The Smiths erinnert.
Der Neologismus „Eusexua“ ist übrigens eine Erfindung von FKA twigs selbst und soll einen Moment der absoluten, transzendenten Euphorie bezeichnen. Es sei eine Praxis, ein Zustand – und der absolute Höhepunkt menschlichen Erlebens.
Wer schon mal Transzendenz in einer dunklen Betonkathedrale mit hohen Lautsprechertürmen erlebt hat, kennt dieses Gefühl euphorischer Überheblichkeit. So schön wie FKA Twigs sie auf „Eusexua“ in Popmusik fasst, sei sie ihr von Herzen gegönnt.
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