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Camilla Nylund sang bei der Premiere 2015 die Ariadne.

© Monika Rittershaus

Erste Opernaufführung seit dem Lockdown in Berlin: Neues Leben auf der Bühne der Staatsoper

Mit der Hans-Neuenfels-Inszenierung von Richard Strauss' „Ariadne auf Naxos“ beginnt Unter den Linden eine außergewöhnliche Spielzeit.

„Musik ist eine heilige Kunst“, singt der junge Komponist, und mit seinem Gesang schwingt er sich auf in ästhetische Gefilde des Erhabenen. Er hat eine heroische Oper „Ariadne“ geschrieben und muss, der Uraufführung entgegenfiebernd,  erfahren, dass menschliche Gemeinheit die Welt regiert. Denn der Mäzen, der die „Notenarbeit“ des armen Komponisten bezahlt hat, erteilt den Befehl, gleichzeitig mit „Ariadne“ eine vergnügte Tanzmaskerade serviert zu bekommen. Das lustige und das traurige Stück gleichzeitig.

Vorhang auf für die erste szenische Opernproduktion seit dem Lockdown: „Ariadne auf Naxos“, das eklektische Juwel aus zauberischen Harmonien, macht Unter den Linden den Anfang nach der Corona-bedingten Zäsur der Bühnen. Und das Werk von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss eignet sich für einen  vorsichtigen Einstieg, weil es auf Chor und großes Orchester verzichtet.

Nach dem bisher geltenden Hygiene-Konzept sind rund 380 der insgesamt 1300 Sitzplätze besetzt. Fremdes Theatergefühl, nachbarlos zwischen leeren Stühlen zu sitzen. Umso bemerkenswerter, dass die Vorstellung frenetisch gefeiert wird.

Katharina Kammerloher singt den Komponisten

„Im Hause des reichsten Mannes von Wien“ ereignet sich das szenische „Vorspiel“, in dem die rivalisierenden Kunstgattungen der Seria und der Commedia aufeinanderprallen. Und in dieser Wiederaufnahme der Inszenierung von Hans Neuenfels, die 2015 am Schillertheater herauskam, fasziniert Katharina Kammerloher in der Partie des jungen Komponisten. 

Als Ensemblemitglied des Hauses verkörperte sie die Rolle schon in einer früheren Inszenierung. Erworben und leuchtend erfüllt aber hat sie sie gerade jetzt. „Eine Art Preisliedchen“ und lyrischen Höhepunkt sieht Hofmannsthal in der Kantilene um die heilige Musik, und Katharina Kammerloher verteidigt diesen Idealismus tönetrunken mit präziser Gesangskunst.

Eine gewandte Abendspielleitung sorgt dafür, dass die Personenführung der Neuenfels-Regie erhalten geblieben ist. Sie stellt sich schlicht und beziehungsreich dar. Kammerloher hat in Roman Trekel  den vertrauten, stets vorbildlich beteiligten Musiklehrer zur Seite, der mit den Sottisen des Haushofmeisters fertig werden muss. Denn Elisabeth Trissenaar verkündet in dieser   Rolle wieder die banausischen Wünsche ihres gnädigen Herrn, etwas  bescheidener geworden in ihrem süffisanten Ausdruck.

Sie erwartet den Todesgott - und findet Bacchus

Dass Richard Strauss mit seinem Werk schon im 20. Jahrhundert in eine andere Welt gehörte, zeigt die Mischung aus Seria und Buffa, die nach kurzer Umbaupause die eigentliche Oper beherrscht. Neuenfels deutet das mit ein paar Requisiten an, Kunst als Bildungsgut. Es geht nun darum, die  Tanzmaskerade um „die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber“ mit dem Trauerstück zu kombinieren. Ariadne, die den Todesgott erwartet, findet ihren Liebesgott in dieser Sicht auf das Drama nicht. Sie nimmt sich das Leben. Bacchus (Andreas Schager) versteht sie nicht.

Mit zärtlichem Andante beginnt die Ouvertüre, und aus dem Graben tönt ein Orchester in Mozart-Format mit hinzugefügtem Konzertflügel, mit Harmonium, Celesta und Harfen.  Es spielen die Instrumentalvirtuosen der Staatskapelle unter der Leitung von Thomas Guggeis. Der junge Dirigent, der sich zwei Jahre als Assistent Daniel Barenboims empfohlen hat und seit dieser Saison den schmucken Titel Staatskapellmeister trägt, durchleuchtet die Partitur mit Feingefühl.

Obwohl sparsam besetzt, blüht das Strauss-Orchester vom musikalischen Kammerspiel bis zu „trunkener Feierlichkeit“. Guggeis lässt die vier Komödianten, angeführt von Gyula Orendt als Harlekin, zielstrebig im Zweivierteltakt durch sein Tempo tanzen. Wegen Corona ist die Position des Orchesters in die Tiefe gesenkt worden. Aber man vernimmt trotz akustischer Einbußen, welches Höchstmaß an Virtuosität Strauss in der Behandlung  des Instrumentariums erreicht hat.

Sarah Aristidou als Zerbinetta ist keine Höhe zu hoch

Anna Samuil, einst eine Favoritsängerin ihres Entdeckers Barenboim, wird umgeben von dem agilen Nymphenterzett Victoria Randem, Evelin Novak und Natalia Skrycka. Sie singt die Ariadne

unter dem Diktat ihrer Stimme. Eine Art Vokalise wird dabei aus dem Wort „Licht“ mit dem bezeichnenden Oktavsprung, der Name des Boten „Hermes“ bleibt Andeutung. Hier kommt Hofmannsthal, der Librettist, einfach zu kurz. Der Monolog „Ein Schönes war, hieß Theseus- Ariadne“ verliert seine Innenspannung, wenn die Dichtung nicht gestaltet wird.

Eine Entdeckung, dem künstlerisch verdienstvollen Opernstudio der Staatsoper kaum entwachsen, ist Sarah Aristidou als Zerbinetta. Ein Sopran, dem keine Höhe zu hoch ist, der das Publikum bezwingt. Und doch auch eine Enttäuschung. Denn in ihrem Rezitativ an die „großmächtige Prinzessin“ mit nachfolgender Arie, Ausdruck ihrer liebenswürdigen Flatterhaftigkeit, versteht man kaum ein Wort. „Als ein Gott kam jeder gegangen, jeder wandelte mich um“: Was für ein Text! 

Gut, dass der Regisseur in Neuenfels-Manier die beiden Damen verpflichtet hat, ihre Standpunkte an zwei Wände zu schreiben: „Ich glaube an die einzige Liebe“ beziehungsweise „Die Liebe hat viele Gesichter“.

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